■ Urdrüs wahre Kolumne: Lücke im Abferkelrhythmus
Was soll man einem wildfremden Menschen sagen, der einem gegen 2 Uhr morgens unterhalb der Hochstraße in Nähe zum Bremer Hauptbahnhof begegnet und immer wieder lauthals beteuert : „Ich bin ein Schwein“? Ganz recht, wir versichern ihm, daß ihn dies zumindest vor Rinderwahnsinn bewahrt, stoßen damit aber auf einen ausgemachten Skeptiker: „Das sachste jetzt nur, damit ich mich nich umbringe!“ Ratlos zieht der Samariter am melancholischen Schweinchen Babe vorbei weiter durch die Nacht.
Sicher ist immerhin, daß es sich bei diesem Selbstbezichtiger nicht um den Militärpfarrer Peter Wieschollek aus dem Heidedorf Faßberg gehandelt hat, dürfen wir doch dem Evangelischen Pressedienst entnehmen, daß dieser „seine Jungs nicht allein läßt“ und in Kroatien 400 Pioniere als seelsorgerlicher Hobby-Kneipier mit Bier und Currywurst atzt. Zwischendurch gibt er schon mal im Gottesdienst vor dem Einsatz eine Runde Segen aus, „weil sie das gut gebrauchen können“. Prost, Prost, Prostata und Amen!
Ab sofort werden auf der Bürgerweide bei der Osterwiese wieder „junge Leute zum Mitreisen“ gesucht, und da nimmt es schon Wunder, daß die ortsansässige SPD mit ihren besten bis allerbesten Verbindungen zum Landesverband des Schaustellergewerbes immer noch über die personalpolitische Entsorgung der Altlasten Manfred Mayer-Schwinkendorf und Richard Skribelka nachdenkt. Eine dringliche Warnung ergeht in diesem Zusammenhang vor der Absicht, den Bremerhavener künftig in der Verbraucherberatung zu beschäftigen: Wer so lange Freibier soff und selbst seine Kegeltouren als kostenlose Informationsreise organisierte, der weiß doch nix von Sicherungsscheinen und mangelnder Prospektehrlichkeit und kann den falschen Fuffziger auch mit Brille nicht vom falschen Hasen unterscheiden.
Wissense, was ich selbst Werbern des Bertelsmann-Leserings, südoldenburgischen Eierbaronen oder prozesshanselnden Ausländeramtsleitern im Alter nicht zumuten möchte? Sich auf eine Kleinanzeige im Weserkurier einlassen zu müssen, die da gestern so lautete: „In unserer Familie haben wir einen Seniorenplatz frei!“ Tu's nicht, Opa!
Am Berliner Landgericht wird derzeit geprüft, ob das Todesurteil eines SS-Standgerichts gegen Dietrich Bonhoeffer vom 8.April 1945 rechtens war, und dies, obwohl das Urteil bereits 1956 durch den BGH als rechtsgültig bestätigt worden war. Denkt man wirklich, damit dem Jüngsten Gericht über Großdeutschland und die Folgen entgehen zu können?
Am Mittwoch dieser Woche fand auf dem Höhepunkt des Rinderwahnsinns in der Viehhalle zu Sulingen die Zuchtschweinauktion der hannöverschen Herdbuchzüchter statt, über die das Pressebüro der Erzeugergemeinschaft zu vermelden weiß: „...Der Eber bildet nach wie vor die halbe Herde....die andere Hälfte sind natürlich die Sauen..So lassen sich am schnellsten die Lücken im Abferkelrhythmus schließen!“ Die Hälfte des Himmels. So soll es sein, drei Wochen nach dem Frauentag.
Apropos Schweinepest und Rinderwahn: Meeresfrische ist die Alternative der Stunde, und im Fischrestaurant „Seestern“ unweit des Bahnhofs der niedersächsischen Landeshauptstadt lädt man uns ein mit den Worten „Weil Fische leicht verdaulich sind/sollten Vater, Mutter wie auch Kind/den Schritt wenn sie ans Essen denken/in unsre Fischgaststätte lenken.“ Wer solches reimt, der kann kein schlechter Mensch sein!
Skeptischer bin ich in punkto moralischer Integrität bei einem bremischen creatext-Service, der seine Dienste per Zeitungsannonce so vorstellt: Liebesbrief-Express! Zauberhafte Liebesbriefe für „Sie“ und „Ihn“. Wer derlei individuelles Schrifttum wirklich braucht und die eigenen Worte dazu nicht findet, den wollen wir bewahren, mit seinem Herzensanliegen zum Objekt von Vermarktungsstrategien gemacht zu werden, sagte doch schon der singende Philosoph Nino di Angelo „Wo man für Liebesbriefe bezahlen muß/da sind wir jenseits von Eden!“ Bei entsprechender Bedürfnislage erledigt dies auf Wunsch und schriftliche Anforderung über die TAZ BREMEN ganz persönlich und natürlich kostenlos für Dich liebevolles Menschenkind Dein Ulrich Reineking etc. (Stich wort „Frühlingserwachen“)
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