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■ Erstmals zeigt sich die Regierung Serbiens bereit, mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal zusammenzuarbeiten. Belgrad überstellte Zeugen des Massenmordes von Srebrenica nach Den Haag. Heute soll dort ein kroatischer General aussagen.Karadzi

Erstmals zeigt sich die Regierung Serbiens bereit, mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal zusammenzuarbeiten. Belgrad überstellte Zeugen des Massenmordes von Srebrenica nach Den Haag. Heute soll dort ein kroatischer General aussagen.

Karadžić' Büttel wollen auspacken

Kroatien und Serbien haben auf westlichen Druck reagiert und mehrere vom Internationalen Kriegsverbrechertribunal angeklagte Militärs nach Den Haag überstellt. Die Regierung in Belgrad hat am Samstag zwei wichtige Zeugen des Massenmordes in der früheren UN-Schutzzone Srebrenica an das Sondergericht ausgeliefert. Es handelt sich um die beiden Soldaten Drazen Erdemović und Radoslav Kremenović. Nach Angaben der kroatischen Regierung wird sich heute General Tihomir Blaskić den Anschuldigungen stellen. Der 36jährige Blaskić war im November wegen eines Massakers an Hunderten muslimischer Zivilisten im April 1993 unter Anklage gestellt worden.

Mitte März waren in Deutschland und Österreich die beiden Muslime Zejnil Delacić und Zdravko Mucić sowie der Serbe Goran Lajić festgenommen worden. Mit dem bereits im Februar 1994 in Deutschland festgenommenen Serben Dusan Tadić befinden sich damit erst wenige der insgesamt 56 Personen in Justizgewahrsam, gegen die das Tribunal in Den Haag Anklage erhoben hat.

Zu den inhaftierten Angeklagten kommen noch die beiden bosnisch-serbischen Offiziere Djorde Djukić und Aleksa Krsmanović, die nach ihrer Festnahme durch die bosnischen Behörden Mitte Februar an das Tribunal überstellt wurden und sich seitdem in Untersuchungshaft befinden. Allerdings soll Krsmanović, der als Zeuge verhört wurde, bis spätestens 3. April wieder der bosnischen Regierung in Sarajevo überstellt werden. Chefankläger Goldstone erklärte, es sei sinnlos, Krsmanović weiter festzuhalten, da er die Aussage verweigere.

Gegen Djukić, der nach den bisherigen Ermittlungen des Tribunals für die mehrjährige Belagerung Sarajevos verantwortlich war, dürfte in Kürze formale Anklage erhoben werden. Chefankläger Richard Goldstone erhofft sich von dem Verfahren Aufschlüsse über die Beteiligung des Milošević- Regimes am Krieg in Bosnien.

Den beiden in München und Wien festgenommenen Muslimen Delacić und Mucić wirft die Anklage „schwere Verstöße gegen die Genfer Konventionen und Verletzungen des Kriegsvölkerrechts“ vor, darunter Mord, Folter, Vergewaltigung, Raub und andere Formen „unmenschlicher Behandlung“ von Gefangenen. Dieselbe Anklage erging gegen die beiden Muslime Hazim Delić und Esad Landzo. Laut einer Mitteilung des Tribunals hat die Regierung in Sarajevo die Festnahme der beiden und ihre Auslieferung nach Den Haag zugesagt.

Die vier Muslime sollen die ihnen zur Last gelegten Kriegsverbrechen zwischen Frühjahr und Herbst 1992 in dem gemeinsam von bosnischen Muslimen und Kroaten betriebenen Lager Celbici begangen haben, das im Dezember 92 aufgelöst wurde; in jenem Lager waren Serben aus der Region Konjić inhaftiert. Diese erste Anklage des Tribunals in Fällen, in denen bosnische Serben die Opfer waren, erfolgte erst jetzt, obwohl Goldstone bereits Ende 1994 Hinweise auf Kriegsverbrechen im Lager Celbici erhalten hatte. Für die Verzögerung macht der Chefankläger in erster Linie die Weigerung der Behörden Serbiens und der bosnischen Serben, mit dem Tribunal zusammenzuarbeiten, verantwortlich. Um eine Befragung zu ermöglichen, habe Chefankläger Goldstone zunächst die „Ausreise dieser Personen in andere Länder arrangieren“ müssen.

Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit der Regierung Serbiens und der bosnischen Serben in Pale mit dem Tribunal ist trotz der jüngsten Auslieferungen nach Den Haag eher gering. Zumindest im Fall der drei Offiziere der Armee Serbiens, Oberst Mile Mrksić, Hauptmann Miroslav Radić und Major Veselin Sljivancanin, die bereits Anfang November 1995 von Goldstone angeklagt wurden, scheint das Tribunal daher zur Erhöhung des Drucks auf Belgrad entschlossen. Laut Anklageschrift waren die drei die verantwortlichen Kommandeure einer serbischen Armee-Einheit, die gemeinsam mit paramilitärischen Verbänden der kroatischen Serben am 20. November 1991 261 Menschen aus dem Hospital im ostslawonischen Vukovar entführten, sie anschließend massakrierten und in einem Massengrab verscharrten.

Auf Basis von Artikel 61 des Tribunal-Statuts läuft derzeit in Den Haag eine Anhörung zum Stand des Verfahrens gegen die drei Offiziere. Der zuständige Richter hat bereits festgestellt, daß inzwischen „ausreichend Zeit“ vergangen ist für die Behörden Serbiens, der am 7. November 95 erfolgten Aufforderung des Tribunals zur Festnahme der drei Angeklagten und ihrer Auslieferung nach Den Haag nachzukommen.

Die Anklage wurde in mehreren Zeitungen Serbiens veröffentlicht. Fotos der drei Männer wurden an die Ifor in Bosnien und die UNO-Truppen in Ostslawonien verteilt. Als Ergebnis der Anhörung wird das Tribunal wahrscheinlich einen internationalen Haftbefehl erlassen, der die Behörden aller Staaten zur Festnahme der drei angeklagten Offiziere verpflichtet. Bei mangelnder Kooperation von Belgrad kann das Tribunal den UN-Sicherheitsrat informieren. Der könnte dann Sanktionsmaßnahmen beschließen. Andreas Zumach, Genf

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