Entdeckung des Heimsiegs

■ St. Pauli – Leverkusen 2:1/ Abschied vom letzten Heroen Von F. Havekost

Siegen in der zweiten Liga oder Herumdümpeln im Bundesliga-Keller? Als vor Jahresfrist der Aufstieg des FC St. Pauli unter den Fans diskutiert wurde, fiel das Argument, man wolle nach Jahren der Enthaltsamkeit auch mal wieder richtige Fußballspieler über den Millerntorrasen stolpern sehen, statt immer nur biedere Zweitliga-Kicker. Das klang stark nach Ein Jahr erste Liga, und vom Kader her betrachtet war diese Kurzweiligkeit ästhetischer Freuden durchaus realistisch eingeschätzt.

Mit Leverkusens Ruuudi Völler kam am Dienstag zum letzten Mal in dieser Serie ein Heroe aus jener Zeit, in der Bundesliga-Mannschaften noch erfolgreich im Europacup mitspielten. Dessen kunstvolle Akzente waren gleichwohl nicht der größte Freudenquell. Am Ende waren alle ratlos glücklich, hatte der FC doch 70 Minuten ums Remis gezittert, um schließlich den Platz als Sieger zu verlassen. Gästecoach Erich Ribbeck sprach prompt von einem „Paradebeispiel dafür, daß ein Fußballspiel sehr ungerecht ausgehen kann“.

Schon vor dem Seitenwechsel zählte Ribbeck acht „echte Torchancen“, die – bis auf einen Lattenkopfball von Neuendorf – jedoch allesamt demonstrierten, daß Bayers Glanzpunkte nicht im Torschuß liegen. „Jungs, näher ran“, orderte St. Pauli-Trainer Uli Maslo zur Halbzeit aggressivere Deckungsarbeit an, was die Überlegenheit der Leverkusener zwar einschränkte, aber nicht behob. Diszipliniert spielten die Bayer-Kicker vors Tor, um dort regelmäßig zu scheitern.

Da aber irgendwer die Tore machen muß, um ein 0:0 zu vermeiden, übernahm St. Paulis Martin Driller jene Aufgabe nach 61 Minuten und einer schönen Flanke von Oliver Schweißing per Kopf. Daß Ruuudi dreizehn Minuten später das 1:1 erzielte, war da nur noch Regieanweisung an Maslo. Springer ging, Scharping kam, was angesichts der Leverkusener Schlußoffensive durchaus mutig war. „Wir wären auch mit einem Punkt unzufrieden gewesen“, meinte Ribbeck nachher. Aber „mit einem wie Scharping, 1993 vom Eimsbütteler TV zum ,Kiez'-Klub gewechselt und immer bescheiden geblieben, können sich St. Paulianer identifizieren“, und ein Trainer folglich auch nichts falsch machen, belehrt uns dpa. Jedenfalls sicherte Scharping mit seinem Abstaubertor nach Schuß von Driller dem FC die Punkte und sich die nächsten home stories der Kollegen vom Boulevard.

„Ein Sieg gegen Frankfurt wäre die Vorentscheidung“, blickt Maslo nach der Entdeckung des Heimsiegs auf den Sonnabend und die Chance, bei einem Erfolg die nächsten Spiele locker als Test für die nächste Saison zu sehen – die Fans werden sich daran gewöhnen müssen, daß Klinsmann & Co. als Legitimationsmuster für Erstklassigkeit ein Auslaufmodell sind. Die Alten sind gesehen, Neue nicht da, und daß Barcelona demnächst in der Bundesliga mitspielt, wurde nicht einmal als Aprilscherz verbraten. Zeit, daß Oliver Bierhoff aus Italien in die Bundesliga zurückkehrt.

FC St. Pauli: Thomforde – Dammmann – Stanislawski (60. Gronau), Pedersen – Driller, Trulsen, Pröpper, Dinzey, Springer (80. Scharping) – Schweißing, Stisi (46. Sobotzik).

Bayer 04 Leverkusen: Heinen – Lupescu – Rietpietsch (80. Tolkmitt), Fach – Rammelow (71. Hupner), Rodiego (63. Feldhoff), Reyna, Neuendorf, Münch – Völler, Kirsten.

Schiedsrichter: Fleske (Schönow) – Zuschauer: 19.500.

Tore: 1:0 Driller (61.), 1:1 Völler (74.), 2:1 Scharping (85.)