Nachgefragt
: „Wurde belogen“

■ Fragen an Vulkan-Aufsichtsrat Nölle

Einer der Aufsichtsräte des Bremer Vulkan ist Dr. Hans-Jürgen Nölle. Er vertritt die Deutsche Schutzgemeinschaft für Wertbesitz e.V., gut bekannt durch ihren Vorsitzenden Graf Otto Lambsdorff. Mit seinem Anwaltsbüro sitzt Nölle an der Schlachte 3 – fast Wand an Wand mit der Bremer taz.

taz: Heute tagt der Aufsichtsrat der Bremer Vulkan-Verbund-AG zum ersten Male nach den Monaten der großen Krise. Was werden Sie beschließen?

Hans-Jürgen Nölle: Vorstand und Vergleichsverwalter werden den Aufsichtsrat informieren. Die Aufsichtsräte beraten nicht aus luftleerem Raum, sondern über Vorlagen des Vorstandes. Man verkennt leicht die Arbeitsweise des Aufsichtsrates.

Am 11. September 1995, als über Hennemann entschieden wurde, gab es keine Vorlage des Vorstandes. Hat da der Aufsichtsrat alle Aspekte der Frage intensiv bedacht?

Davon können Sie ausgehen. Das Bestellen und Abberufen von Vorstandsmitgliedern ist eine der wesentlichen Aufgaben des Aufsichtsrates und der hat dann unterschiedliche Meinungen.

Inwiefern?

Es ist bekannt, daß diese Sitzung dazu diente, dem plötzlichen Kapitalbedarf Rechnung zu tragen und daß die Banken meinten, sie können die Kredite bei dieser Führungsstruktur nicht mehr geben. Ich vertrete die Minderheits-Aktionäre, die kleinen Aktionäre. Die sitzen auf der Hauptversammlung und hören Herrn Hennemann reden, im Juni 1995: Wir haben eine Milliarde Liquidität in das Jahr 1995 mit hineingenommen und wir werden in diesem Jahr dividendenfähig. Aus der Sicht des Aktionärs muß ich später feststellen: Ich bin belogen worden. Da kann ich kein Vertrauen mehr haben.

Bis zu dieser Hauptversammlung 1995 hatte der Aufsichtsrat das Vertrauen zu Herrn Hennemann?

Er hat jedenfalls bis dahin keine Veranlassung gesehen, dieses Vertrauen in frage zu stellen. Uns kann man nur vorwerfen, wir hätten zu spät gemerkt, daß Herr Hennemann nicht mehr richtig die Realitäten gesehen oder dargestellt hat.

Haben Sie geglaubt, daß der Vulkan den Eigenanteil für die Ost-Investitionen aufbringen kann?

Ja. Wenn Sie eine Investition tätigen, die eine Milliarde ausmacht, von der zwei Drittel über Eigengeld finanziert ist, in diesem Falle von der Treuhand, dann erhalten Sie doch von einer Bank für den Rest einen Kredit. Aber der Aufsichtsrat wurde nicht über den Verlauf der Entwicklung im einzelnen informiert. Es nützt wenig, wenn Sie mit mir in Vermutungen schwelgen, warum der Vulkan dieses schreckliche Schicksal erlitten hat.

Wissen Sie, warum?

Nein, natürlich nicht. Dafür müßte man die gesamten Zahlen aufarbeiten. Wir haben doch noch alle nicht die vollständigen richtigen Zahlen.

Im Vorfeld der Bürgerschaftswahlen 1995 hat der Konzern von dem Land ein finanzielles Engagement über 200 Millionen für das Überleben der Unterweser-Werften gefordert. Bremen hat damals nicht gezahlt.

Ich kann nur das Ergebnis hinnehmen: 200 Millionen Steuergelder, der Staat muß prüfen, ob das zu den gewünschten Erfolgen führen kann. Denn hier wird eine Veranstaltung geplant, die nach menschlichem Ermessen auf Jahre keine Gewinne macht und daher auf Zuschüsse angewiesen ist.

Wenn die Arbeiter auf 20 Prozent Lohn verzichten würden, dann bestünde keine Gefahr, daß der Schiffbau in Bremen geschlossen werden muß.

Ob diese Zahl so stimmt, kann ich nicht ausrechnen. Natürlich „verarmen“ wir dann auf hohem Niveau. Aber man könnte ganz grundsätzlich denken: Wir wollen so für den Weltmarkt weiter produzieren. Aber das bringen wir vermutlich nicht, es scheitert an unserem Fetisch Sozialstaat. Deshalb wird es entweder über Subventionen weitergehen oder es geht nicht weiter.

Ihre Prognose wäre eher: Es geht nicht weiter?

Die bremischen Werften können nach dem, was ich weiß, ohne eine erhebliche staatliche Hilfe nicht produzieren.

Fragen: Klaus Wolschner