: Mail-bombing im Cyber-Baskenland
■ ETA-Befürworter und -Gegner bekämpfen sich im WWW
Es begann mit dem tödlichen Anschlag auf den ehemaligen spanischen Verfassungsgerichtspräsidenten Francisco Tomas y Valiente am 14. Februar. Die Polizei hatte ihre Arbeit am Tatort noch nicht beendet, da ging die Meldung schon ins Netz. Eiligst richteten die Studenten in Trauer um ihren Professor eine neue Webseite ein. Unter http://acebo.sdi.uam.es/ asesinato_uam.html prangt seither das Foto des Opfers auf schwarzem Grund. Daneben zwei weiße Hände – als Zeichen der Unschuld – mit dem Slogan „Schluß jetzt“. Ein Symbol, das nur wenige Tage später eine Million gegen die ETA auf die Straßen der Hauptstadt bringen sollte. 6.000 Kondolenzadressen gingen bis letzte Woche per E-Mail ein. Doch die Web- Adresse bietet mehr: Termine weiterer Anti-ETA-Demonstrationen, den Lebenslauf des Opfers und einige seiner wichtigsten Veröffentlichungen, viele davon zum Thema ETA. Einer der Links beweist: Die Fahndungsfotos mit Kurzlebensläufen des ETA- „Kommandos Madrid“ kommen direkt aus dem Innenministerium.
Aber auch die andere Seite ist nicht faul. „Euskadi Information“ vertrieb unter http://www.access.ch/euskadi/ von der Schweiz aus „unterdrückte Nachrichten aus dem Baskenland“. Es gab Berichte über soziale Bewegungen, Demonstrationen für die „Befreiung des Baskenlandes von spanisch/ französischer Kolonialherrschaft“, Repression und den Skandal um den Staatsterrorismus der GAL und – immer dabei – die Kommandoerklärungen von ETA.
Monat für Monat wurde die Seite aktualisiert, bis die Tageszeitung „El Pais“ zum „Kybernetischen Antiterrorismus“ rief. Nicht ohne Erfolg. In den darauffolgenden Tagen gingen Hunderte von Protestbriefen bei der Zürcher Access AG ein. „Ich weiß nicht, ob dieser kriminelle Akt mit Ihrem Einverständnis oder mit dem Ihrer Organisation zustande kam, aber ich möchte Sie auf jeden Fall darauf hinweisen, daß dies für Sie strafrechtliche Folgen haben kann“, formuliert die englischsprachige Textvorlage, die von einem Forschungszentrum der staatlichen Telefongesellschaft Telefonica verbreitet wurde.
Access reagierte prompt. Seit Wochen weht zwar noch immer die baskische Fahne auf der Seite, aber statt eines Inhaltsverzeichnis verkündet ein kurzer Text, daß der Server wegen „E-Mail-bombing from the Spanish state“ eingestellt wurde. Es wird angekündigt, daß demnächst ein neuer Server bei einem anderen Anbieter eröffnet werden soll. Doch der Umzug im Netz läßt auch einen Monat nach der unfreiwilligen Einstellung noch immer auf sich warten. Reiner Wandler
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