: Bald geht's baden in die Oder
Noch laufen Abwasserkanäle direkt in den Grenzfluß. Aber heute wird der „Vertrag zum Schutz der Oder gegen Verunreinigung“ unterzeichnet. Erste Aufgabe: Kläranlagen bauen ■ Aus Warschau Gabriele Lesser
Schlagzeilen wie „Colibakterien in der Oder“, „Totes Wasser“, „Giftmörder der Oder“ sollen schon bald der Vergangenheit angehören. In Breslau (Wroclaw) treffen sich heute die Umweltminister aus Deutschland, Polen und der Tschechischen Republik sowie ein Vertreter der Europäischen Union, um einen „Vertrag zum Schutz der Oder gegen Verunreinigungen“ feierlich zu unterzeichnen.
Noch am selben Nachmittag, wenn die Minister Stanislaw Zelichowski und Frantisek Benda sowie die Ministerin Angela Merkel wieder auf dem Rückweg sind, werden sich die Experten der drei Länder zusammensetzen und gemeinsam einen ersten Arbeitsplan aufstellen.
Mit dem Vertrag soll der Gewässerschutz im gesamten Einzugsgebiet der Oder – das sind knapp 120.000 Quadratkilometer – koordiniert werden. Die Oder ist insgesamt 860 Kilometer lang und gilt als eine der großen Lebensadern Mitteleuropas. Sie enspringt nahe Olmütz in der Tschechischen Republik, fließt an Oppeln (Opole) vorbei, durch Breslau (Wroclaw) und Frankfurt, teilt sich dann kurz vor dem polnischen Stettin (Szczecin) in mehrere Arme und mündet schließlich in die Ostsee.
Über fünf Jahre lang hatten Politiker und Experten die einzelnen Punkte des Übereinkommens beraten. Drei Hauptziele sind jetzt im Vertrag festgeschrieben, über sie hatten die Unterhändler aus Deutschland, Polen und der Tschechischen Republik sich relativ rasch einigen können: In den Fluß sollen weniger Schadstoffe als bisher eingeleitet werden, das Ökosystem rund um die Oder soll eine Qualität erreichen, die mit „Naturnähe“ umschrieben wird, und das Flußwasser soll so sauber werden, daß aus dem Uferfiltrat sogar Trinkwasser gewonnen werden kann.
Problematisch erschienen Fragen der Entscheidungsfindung in der Internationalen Kommission – ist nur eine einfache Mehrheit oder ein einstimmiges Votum nötig? – sowie die Finanzierung: Wer soll die Arbeit der Kommission bezahlen? Und wer kommt für Kosten auf, die sich aus den Anregungen der Kommission ergeben?
All das scheint nun im Vertrag gelöst: Die Kosten der Kommission werden zu je 38,5 Prozent von Deutschland und Polen getragen, zu 20 Prozent von der Tschechischen Republik und zu 2,5 Prozent von der Europäischen Union; die drei Länderdelegationen schließlich müssen einstimmig abstimmen. Es bleibt aber doch die Frage offen, wie verbindlich die Empfehlungen der Kommission sein werden. Denn im Vertrag ist nur geregelt, daß die Kommission alle zwei Jahre einen Bericht abgeben muß, Aktionsprogramme gegen die Verschmutzung von Oder und Ostsee ausarbeiten und sich dafür eine rechtliche und organisatorische Grundlage geben soll.
Ob die Umwelt- und Wirtschaftsministerien der beteiligten Länder sich dann an die Empfehlungen halten werden, steht offenbar in deren Ermessen. Dennoch ist die Bundesumweltministerin Angela Merkel zuversichtlich: „Mit diesem Vertrag sind die Voraussetzungen für eine umfassende Sanierung der Oder und ihres gesamten Einzugsgebietes geschaffen worden.“
Eine der vordringlichsten Aufgaben wird der Bau von Kläranlagen sein, denn sowohl auf deutscher wie auf polnischer Seite münden noch immer etliche Abwasserkanäle direkt in die Oder. Dieser „Nährstoffeintrag“, wie Experten die Fäkalien freundlich umschreiben, hat auch im Nationalpark Unteres Odertal bereits dazu geführt, daß etliche Riedwiesen und Flußauen sich in saftige Brennesselfelder verwandelt haben.
Ein gutes Zeichen ist immerhin, daß in der Gegend um Stettin (Szczecin) seit einem halben Jahr wieder Lachse in der Oder leben. Exumweltminister Töpfer wurde zwar noch nicht gesichtet, aber lange kann es nicht mehr dauern, bis er sich – wie weiland im Rhein – ein Badestündchen in der Oder gönnt.
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