: Export als „skandalöse Geschäftemacherei“
■ Friedensgruppen und Werftarbeiter gegen Blohm & Voss-Kriegsschiffe für die Türkei
Rüstungs-Drehscheibe Hamburg. Auftraggeber: das türkische Militär-Regime in Ankara. Adressat: die Blohm & Voss-Werft Hamburg. Nach Angaben aus der Belegschaft erhielt die zum Thyssen Konzern gehörende Hamburger Werft vor wenigen Wochen von der türkischen Regierung einen lang erwarteten Auftrag für die Lieferung eines Kriegschiffes samt der entsprechenden Baupläne. Es soll sich dabei um zwei etwa 120 Meter lange Fregatten handeln, die mit Raketen, modernster Radartechnik und Torpedos ausgestattet sind.
Während das erste Schiff auf dem Hamburger Werftgelände von Blohm & Voss gebaut werden soll, wird das zweite nach Blohm & Voss-Plänen in der türkischen Staats-Werft in Gölück entstehen.
Der Gesamtauftragswert soll bei knapp einer Milliarde Mark liegen, wovon etwa 350 Millionen Mark auf das Zeichnungspaket für den Nachbau entfallen dürften. Mit ihm wird die Türkei in die Lage versetzt, die eigene Rüstungsproduktion zu stärken und auf dem Rüstungsgüter-Weltmarkt als Anbieter aufzutreten. Die beiden Fregatten sollen im Mittelmeer und im Schwarzen Meer eingesetzt werden, um die territorialen und strategischen Ansprüche der türkischen Regierung – etwa im Zypern-Konflikt mit Griechenland – zu stützen.
Der „Informationskreis Rüstungsgeschäfte in Hamburg“ kritisiert, daß „auch die Menschenrechtssituation in der Türkei“ die Hamburger Werft nicht veranlasse, „von diesen Waffenlieferungen Abstand zu nehmen“. Zwar könnten „die Schiffe nicht unmittelbar im Bürgerkrieg gegen die Kurden eingesetzt werden“, doch würden sie die „militärische Souveränität der türkischen Streitkräfte erhöhen, so daß die konservativen Kräfte im Lande ihre repressive Politik gegen die kurdische Bevölkerung ungehindert fortsetzen können“. Die Werft, heute wohl das größte Rüstungsunternehmen in Norddeutschland, setze damit seine unselige „Tradition als Kriegsschifflieferant“ fort, die in der Kaiserzeit begann und unter den Nationalsozialisten fortgeführt worden sei.
Bereits auf der Blohm & Voss-Betriebsversammlung Mitte Dezember wurde der Rüstungs-Deal mit Ankara von MitarbeiterInnen der Werft hefig kritisiert. Der Fregattenexport „in ein politisches und militärisches Pulverfaß“, so ein Betriebsangehöriger damals, sei „skandalöse Geschäftemacherei“. Die Werft müsse sich endlich „konsequent zu zivilen Produkten hinwenden, die für die Belegschaft langfristig sichere und sinnvolle Arbeitsplätze bieten“.
Marco Carini
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