: Reisen ohne Anmache
■ Der Hamburger Freundeskreis Alleinreisender e.V. ist kein Club einsamer Herzen / Hauptsächlich Frauen nutzen das Angebot Von Fritz Gleiß
„Stinksolide“ sei ihr Verein, sagt die Gründerin Barbara Harms-Wichmann. Das ist in diesem Gewerbe gar nicht so einfach. Zu oft verbirgt sich hinter einem Service für Leute, die Reisepartner suchen, eine Partnervermittlungsagentur oder gar ein Angebot für Sextouristen. Beim Hamburger „Freundeskreis Alleinreisender“ hingegen, der wegen seines Namens des öfteren glipschige Anfragen erhält, geht es gesittet zu. „Alleinreisende müssen keineswegs immer auch alleinstehend sein oder allein leben“, weiß man hier.
Der Verein wurde vor neun Jahren gegründet und gibt monatlich die „BöfA-Reisepost“ heraus. Das 24-Seiten-Heft der „Börse für Alleinstehende“ enthält Ideen, Berichte und Tips, die stark vom Engagement und den Berichten der Mitglieder geprägt sind. Etwa 1700 Menschen nutzen derzeit bundesweit die Freundeskreis-Angebote. Vier Fünftel von ihnen sind Frauen mittleren Alters, die sich nach dem Flüggewerden der Kinder „endlich mal Träume“ erfüllen wollen, wie Harms-Wichmann es beschreibt. Männer seien „halt nicht so flexibel“. Dem Freundeskreis gelinge es oft, Ängste vor dem Alleinreisen abzubauen. Eine Teilnehmerin an einer Kalifornien-Reise zum Beispiel, Ende fünfzig, war zuvor noch nie geflogen.
Die Reisepost enthält Hintergrundinfos, Ideen und Angebote für interessante „Traumreisen“, z.B. nach Teneriffa, mit einer Frauengruppe ins arabische Emirat Oman oder nach Israel, auf der „MS Europa“ nach Montevideo oder auch „nur“ zum Wandern nach Bad Orb - eine Woche inklusive heiterem Abend mit dem Kurdirektor, Tourenführungen, Übernachtung und Vollpension kosten da rund 1000 Mark. Bei den Reisen handelt es sich um Angebote von professionellen Agenturen, die der Verein geprüft hat.
Geplant sind derzeit u.a. Reisen nach Singapur und Bali (Februar/März), Alaska (Juli/August), China (September) und Mexico (November). Wen es nicht so weit treibt, für die oder den gibt es Anfang März eine dreitägige Bahnfahrt zur Basler Fasnacht mit dem ICE. Dazu die Reisepost: „Am Ankunftstag kann man sich bei einer Stadtführung noch ein wenig die Beine vertreten. Ein 3-Gänge-Menue beendet den Tag, denn es empfielt sich, sehr rechtzeitig schlafen zu gehen. Am nächsten Tag ist um 2 Uhr früh Aufstehen angesagt. Wer glaubt, nur er allein wäre so früh auf den Beinen, der irrt sich. Die ganze Stadt ist auf den Beinen - die Fasnacht beginnt.“ Die Reise wird allerdings nicht ganz billig: Fahrt, zwei Übernachtungen, Verpflegung und geführter Abendbummel durch die Altstadt kosten 865 Mark.
In dem Heft wird auch zu Freundeskreis-Stammtischen oder Sonntagsspaziergängen eingeladen. So fand zum Beispiel heute vormittag eine Wanderung von Blankenese über Falkenstein zum Puppenmuseum im Sven-Simon-Park statt. Daneben informiert die Reisepost über allerlei Wissenswertes wie zum Beispiel die Eröffnung des Hamburger Frauenhotels (Hotel Hanseatin, Dragonerstall 11, 20355 HH, 35 16 16) oder die Adresse eines solchen in New York (Hotel Marta Washington, 30.St./Ecke 5.Ave., Tel.: 001/212/68 91 900). Dritter Reisepost-Inhalt ist die Suche von Freundeskreis-Mitgliedern - „TeilnehmerInnen“ des Vereins - nach Mitreisenden. Die Gesuche sind anonymisiert.
Irgendwann wuchs der pensionierten PR-Managerin Harms-Wichmann der Aufwand über den Kopf. Seitdem beschäftigt der als gemeinnützig anerkannte Freundeskreis eine ABM-Kraft. Leute, die als „TeilnehmerInnen“ in den Freundeskreis aufgenommen werden möchten, zahlen fünf Mark Aufnahmegebühr und jährlich 60 Mark für zwölf Reisepost-Ausgaben. Fünf Mark kostet danach jede Adressenvermittlung.
Freundeskreis Alleinreisender e.V., Postfach 520551, 22595 Hamburg, Tel.: 880 74 21
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