: Ohne dich das Paradies
■ Drei Soziologen diskutierten Autonomie und Souveränität
Die Herren Professores begannen c.t. Handelten sie damit autonom? Oder vielleicht souverän? Womit wir schon beim Thema wären. Autonomie und Souveränität – in das Gespinst der Bedeutungsnuancen und Konnotationen, das sich um dieses Begriffspaar legt, versuchten sich die Soziologen Wolfgang Eßbach (Freiburg), Dietmar Kamper und Michael Makropoulos (beide FU Berlin) gesprächsweise hineinzuarbeiten. Auch wenn der Augenschein im Literaturhaus am Mittwoch anderes suggerierte – pro Tisch ein Zuhörer –, ist das Thema nicht unspannend. Der Begriff der Freiheit hat schließlich, ob nun als Souveränität oder als Autonomie gefaßt, wie wir nicht erst seit dem Fall der Mauer wissen, in der Neuzeit wahrlich Karriere gemacht.
Das weite Feld des Themas beackerten die drei Soziologen in Form eines offenen Trialogs, der streckenweise seine Konturen verlor, aber gerade aufgrund seiner Offenheit interessant blieb. Unmöglich, ihn zu rekonstruieren. Er lieferte auch keine greifbaren Ergebnisse, öffnete dafür aber so manche Tür, in den weit gesteckten Horizont der Begriffe zu treten.
Dietmar Kamper erinnerte an den ursprünglichen Schlachtruf der Französischen Revolution: „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – oder den Tod!“ Er fragte, ob die Forderungen nicht inzwischen in parodierter Form eingelöst seien, als totale Bürokratie, verregelte Welt, mithin eine Art gesellschaftlichen Todes. Michael Makropoulos bezog sich auf Hobbes' Konzept einer staatlichen Souveränität als ordnungsstiftende Instanz. Und Wolfgang Eßbach tastete sich in Richtung einer Differenzierung von autonomer und souveräner Subjektkonstitution vor.
Letzteres hatte interessante Implikationen. Der autonome Mensch begreift, in Eßbachs Worten, die anderen als Risiko, sie bedrohen seine Autonomie. Eßbach: „Die Autonomen sagen: Wenn es die anderen nicht gäbe, hätten wir das Paradies.“ Das Streben nach Autonomie verliert in dieser Perspektive seine Unschuld, es erscheint als Absicherungsstrategie der eigenen Identität aufgrund eines Freund-Feind-Schemas. Anders der souveräne Mensch. Er begreift, so Eßbach, im Zweifelsfall sich selbst als das größte Risiko; wer sein Feind ist, hält er offen, und mit seinem Leben geht er spielerischer um.
Daß Autonomen die Souveränität fehlt, wir haben es uns manchmal schon heimlich gedacht.
Dirk Knipphals
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