■ Kommentar: Rechts vor links
Der Rechtsstaat kann und darf nicht unterscheiden, aus welchen politischen Gründen ein Täter den politischen Feind niederschlägt. Er kann es nur bestrafen. Nicht daß, sondern wie er die Tat bestraft, zeigt dann, auf welchem Auge die Justiz besonders gut sieht.
Rieger auf der Nebenklägerbank sitzen zu sehen und zu wissen, daß er öffentlich verkündet, kein Jude wäre im Warschauer Ghetto verhungert, wenn man „Solidarität“ geübt hätte; zu wissen, daß er öffentlich verkündet, daß man Ausländern das Leben so schwer wie möglich machen sollte; zu beobachten, wie er sich Notizen auf Papier mit einem Wappen von Großdeutschland macht – ein Härtetest für die Selbstbeherrschung.
Armin G. hatte diese Selbstbeherrschung nicht. Daß 20 Jahre Diskriminierung geballt in ihm hochkamen und sich an Rieger entluden, nahm man dem jungen Autonomen ab. Sonst wäre er wohl wie die anderen rechtzeitig weggelaufen.
Der Richter, der gerade gehört hatte, daß Armin in Berlin geboren und aufgewachsen ist, konnte sich der Bemerkung „Sie sprechen ja perfekt deutsch“ nicht enthalten. Daß es eine zweite und dritte Generation deutscher Jugendlicher ohne deutschen Paß gibt, ist auch in der sogenannten Mitte der Gesellschaft nicht angekommen.
Armin G., nicht vorbestraft und zur Tatzeit knapp 21 Jahre, ohne Bewährung zu verurteilen, ist ein unnötig hartes Urteil. Weder sein Alter noch seine persönliche Betroffenheit durch rechte Hetzparolen wurden mildernd berücksichtigt. Die Justiz zieht sich einmal mehr den Ruf zu, daß im deutschen Rechtsstaat rechts vor links geht.
Silke Mertins
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