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Kinkel soll China keine Moralpredigten halten

■ Peking reagiert scharf auf eine Menschenrechtsrede des Bundesaußenministers

Genf (taz) – Ungewöhnlich scharf hat China auf eine Rede von Bundesaußenminister Klaus Kinkel (FDP) vor der UNO-Menschenrechtskommission am Dienstag in Genf reagiert. Kinkel hatte erklärt, die Europäische Union habe der Kommission einen Resolutionsentwurf zur Menschenrechtslage in China vorgelegt, nachdem der „Dialog“ zwischen der EU und Peking über „konkrete Schritte zur Verbesserung der Menschenrechtssituation leider nicht zu substantiellen und verbindlichen Ergebnissen“ geführt habe. Der chinesische Delegationschef äußerte „tiefstes Bedauern über diese Attacke“ auf sein Land und erklärte, Kinkel habe mit dieser „Provokation“ seinen „Status als Ehrengast der UNO- Kommission mißbraucht“.

Unter Verweis auf die Greuel des Naziregimes warf der Delegationsleiter dem deutschen Außenminister „historische Vergeßlichkeit“ vor. Kinkel sei „nicht qualifiziert“, dem chinesischem Volk „Moralpredigten zu halten“. Kinkel solle „vor der eigenen Haustür kehren“, bevor er andere kritisiere, erklärte der chinesische Diplomat und verwies auf „Ausländerfeindlichkeit, Neonazismus und die Behandlung von Wanderarbeitern in Deutschland“.

Der von Bundesaußenminister Kinkel erwähnte „Dialog“ zwischen der EU und Pekink sei „nicht echt gewesen“. Dialog müsse „auf Gleichberechtigung und gegenseitigem Respekt beruhen“ und dürfe „nicht von der Aufoktroyierung einseitiger Wertvorstellungen geprägt sein“.

Der chinesische Diplomat stellte weiter fest, die EU habe China zur Ratifizierung der beiden UNO-Konventionen zu zivilen und zu sozialen und wirtschaftlichen Rechten „innerhalb einer bestimmen Frist aufgefordert“. Ein „derartiges Ultimatum“ könne aber „niemals zu irgendeinem Ergebnis führen“. Als „unangebracht“ bezeichnete er die Bemühungen der EU, China durch Sonderberichterstatter der Menschenrechtskommission überwachen zu lassen. Schließlich stellte er die Frage, warum Deutschland bislang nicht auch die USA mit einer Fristsetzung aufgefordert habe, die UNO-Konvention über soziale und wirtschaftliche Rechte zu ratifizieren. Dies sei Bonner „Doppelmoral“. Andreas Zumach

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