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Milliardengeschäft in Sicht

■ Rolf Haberbeck ist überzeugt: Nutzhanf bringt Milliarden. Der Vorsitzende der HanfGesellschaft will eine ökologische Hanfwirtschaft in Deutschland etablieren

taz: Der Anbau von Nutzhanf wurde in diesem Jahr legalisiert. Mit der ersten Ernte wird auch eine weiterverarbeitende Wirtschaft entstehen. Welche Auswirkungen hat diese Entwicklung auf die Arbeit der HanfGesellschaft?

Rolf Haberbeck: Schon vor einem Jahr zeichnete sich ab, daß Hanf für die Wirtschaft ein Milliardengeschäft wird. Auch das Ende des Anbauverbots war 1995 schon absehbar. Deshalb hat die HanfGesellschaft eine Strategie entwickelt, um den Nutzhanf noch in diesem Jahr vollständig in den Wirtschaftskreislauf in Deutschland integrieren zu können.

Soll innerhalb weniger Monate ein kompletter Industriezweig aus dem Boden gestampft werden?

Nein, so etwas muß allmählich wachsen. Den Rahmen für den Aufbau der Hanfwirtschaft bildet das HanfIndustrialisierungsProgramm (HIP) der HanfGesellschaft. Damit wird der Aufbau regionaler Kreislaufwirtschaften koordiniert. Die konzeptuelle Grundlage für das HIP ist die Studie HANF 2000. Sie bietet erstmals eine integrierte ökologische und ökonomische Analyse und Bewertung dieses komplexen Themengebiets. Die Studie erscheint im Mai, wird allerdings schon am 20. April auf dem Symposium HANF 2000 in Grundzügen dargestellt und diskutiert. Geplant ist, sie jährlich zu aktualisieren. Das HIP zielt auf die Gründung von Unternehmen und somit auch auf die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Welche Potentiale sind denn da vorhanden?

Allein 1996 besteht in Deutschland ein Konsumentenmarkt für Hanfprodukte im Umfang von 10 bis 20 Milliarden Mark. Mit den bisherigen Kapazitäten kann das überhaupt nicht befriedigt werden. Hanf ist eindeutig ein Zukunftsgeschäft, in das zu investieren lohnt.

Wie sehen die ersten Schritte beim Aufbau einer Hanfwirtschaft aus?

Das HIP soll ohne aufwendige Bürokratie organisiert werden. Die unmittelbare Verwirklichung läuft über die HanfAktionsProgramme (HAP), die von HanfArbeitsgruppen (HAG) umgesetzt werden. Konkret sieht das zum Beispiel so aus: Ein HanfMobil wird durch Deutschlandfahren. Das wird wahrscheinlich ein Berliner Doppeldeckerbus sein. Der soll in Dörfern und Städten, zum Beispiel während einer Kulturveranstaltung oder bei ähnlichen Gelegenheiten, Marketing betreiben; also verschiedene Hanfprodukte anbieten und über die Pflanze informieren. Daran können sich Firmen beteiligen, die entsprechende Produkte vertreiben. Die strategische Kooperation der

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der HanfGesellschaft mit Interessenverbänden und Institutionen läuft ebenfalls über ein HAP. Die Kontakte zu Landwirtschaftsverbänden, Gewerkschaften oder Ministerien müssen noch vertieft werden.

Was kann man sich unter einer regionalen Kreislaufwirtschaft vorstellen, die im Rahmen des HIP aufgebaut werden soll?

In Deutschland könnten etwa 10 bis 20 solcher Kreislaufwirtschaften entstehen. Das sieht konkret dann folgendermaßen aus: Ein Netzwerk der Landwirte, die Hanf anbauen, liefert die Ernte in eine Fabrik. Dort wird die Pflanze in ihre Bestandteile zerlegt. Diese Bestandteile werden dann in weiterverarbeitende Betriebe transportiert, wo schließlich die Endprodukte hergestellt werden, wie zum Beispiel Kleidung oder Kosmetik. Diese Produkte werden in der Region vertrieben. Die Konsumenten kaufen also Ware, die im Umland gewachsen und produziert wurde. Das ist nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch: Transport und Handel werden umstrukturiert.

Wie lange wird es dauern, bis das Realität ist?

Es wird locker noch zehn bis fünfzehn Jahre dauern, bis sich der Hanfanbau in größerem Stil etabliert hat. 1996 stehen mal gerade 1.000 Hektar auf den deutschen Feldern. Das ist noch sehr wenig. Aber erste Schritte in Richtung auf eine regionale Kreislaufwirtschaft werden schon getan. Eine Modellregion ist Berlin-Brandenburg: Einerseits ist Berlin eine weltbekannte Metropole, die einen großen Absatzmarkt darstellt. Andererseits besteht die Möglichkeit, nicht nur in Brandenburg, sondern auch in Polen große Anbauflächen zu nutzen.

Wird die Hanf-Welle nicht verpuffen wie andere Modetrends auch? Die Hanfwirtschaft lebt doch mehr vom Image der Droge und nicht von den günstigen Eigenschaften des Nutzhanfs.

Mit Sicherheit wird sich das exotische Image in einigen Jahren abnutzen. Bis dahin muß sich die Hanfwirtschaft so weit etabliert haben, daß sie sich ohne diesen Bonus trägt. Mit Hanf kann solides Geld verdient werden, auch ohne auf der Kifferschiene zu reiten. Interview: Lars Klaaßen

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