: „Machtpositionen besetzen“
■ Der italienische Abgeordnete Mauro Paissan über die ultrarechte „Nationale Allianz“, die derzeit in den Meinungsumfragen führt
Mauro Paissan, 45, wurde 1994 auf der Liste der Mitte-Links-Allianz ins Parlament gewählt.
taz: Hat die Nationale Allianz wirklich mit dem ehemaligen Neofaschismus gebrochen?
Mauro Paissan: Das gesamte politische Personal der Nationalen Allianz im bisherigen Parlament kam vom alten MSI, also den Neofaschisten. Die Auflösung und Neugründung als Nationale Allianz hat ihr keine weiteren Persönlichkeiten aus anderen politischen Bereichen zugeführt. Die einzige erkennbare Neuheit ist das Verschwinden des vormaligen Bezugs auf den alten Faschismus, auf seine kulturellen und politischen Werte. Das ist zumindest die offizielle Seite. In den Reden und Verhaltensweisen einzelner Politiker taucht der Bezug implizit allerdings immer wieder auf.
Wie denn?
Am deutlichsten im Sprachduktus. Wenn es zu politischen Zusammenstößen kommt, zeigt sich sofort eine Intoleranz, eine Weigerung, den politischen Gegner anzuerkennen. Man versucht nicht, ihn zu bekämpfen, sondern hofft auf seine regelrechte Eliminierung. Darüber hinaus gibt es aber auch immer wieder Ausbrüche körperlicher Gewalt, auch im Parlament.
Welches Verhältnis hat die Nationale Allianz zur Macht?
Sie will vor allem Machtpositionen besetzen, viel mehr als beispielsweise ihr größerer Koalitionspartner, die Forza Italia des Silvio Berlusconi. Die Minister der Nationalen Allianz – fünf waren das 1994 – belegten alle Schlüsselstellungen mit ihren Leuten. Forza Italia war da viel liberaler. Das galt übrigens auch für den Staatssender RAI und im gesamten Informationssektor. Die Nationale Allianz hat dort überall ihre Vertrauensleute plaziert.
Gilt die Konfrontationsstrategie auch für die Ausschüsse, die ja hinter verschlossenen Türen, also ohne Publikum tagen?
Es gibt da einen großen Unterschied zur anderen Rechtsformation, der Forza Italia. Die Ausschußmitglieder aus der Nationalen Allianz haben durch ihre langjährige politische Erfahrung zumindest eine politische Sprache; man kann sich mit ihnen auf diesem Gebiet auseinandersetzen. Mit den Leuten der Forza Italia ist das viel schwieriger. Sie kommen fast alle aus dem unternehmerischen Bereich, sind politisch naiv und verstehen oft gar nicht, was gesagt wird. Dennoch gibt es auch innerhalb der Nationalen Allianz zwei unterschiedliche Typen des Parlamentariers: Mit den einen kann man durchaus reden, sich auseinandersetzen. Auf der anderen Seite sind da aber auch Leute, die ausschließlich propagandistische Sprüche klopfen.
Wie spielt sich die Auseinandersetzung mit den „Vernünftigen“ ab?
Das Problem ist, daß auch sie an der kurzen Leine ihrer Führung liegen. Man weiß nie so recht, ob die wirklich zu Verhandlungen ermächtigt sind. Oft bespricht man mit denen was und meint, daß man sich einig ist, aber dann müssen die doch wieder schnell an ihr Handy und „oben“ nachfragen, ob sie das auch so machen dürfen.
Gibt es ein wirkliches Programm der Nationalen Allianz, oder besteht es noch vor allem aus der Ablehnung der bisherigen Institutionen?
Natürlich gibt es schon konkrete Programmpunkte. Etwa eine starke Ideologie der Ordnung, auch eine der „Diversität“, womit etwa die Haltung zu Immigranten begründet wird, zu Drogenabhängigen und so fort. Weiterhin ist ihr Institutionenverständnis fast ausschließlich zum Kommandodenken geprägt. Das Ganze gipfelt in ihrem radikalen Präsidentialismus – der Versuch, die Verfassung in eine autoritäre Richtung zu verändern. Interview: Clemens Wergin
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