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■ Subventionsbetrug beim Bau der Raffinerie in LeunaDie „Retter“ aus dem Westen

Der Wiederaufbau des Chemiedreiecks in Sachsen- Anhalt würde eines der teuersten Projekte der deutschen Einheit werden, das war von vorneherein klar. Um Tausende Arbeitsplätze und den Charakter der Region zu retten, hat der Kanzler nach der Wende sein ganzes Gewicht in die Waagschale geworfen. Selbst der alte Freund François Mitterrand mußte helfen. So wurde der französische Staatskonzern Elf Aquitaine wohl von höchster Stelle dazu verdonnert, an der Elbe Rohöl zu veredeln. Doch der Konzern wehrte sich schon damals: Er handelte die in Ostdeutschland marktbeherrschenden Minol-Tankstellen als Dreingabe heraus.

Das alles war Verhandlungsgeschick des Unternehmens. Jetzt aber kommt ein Betrugsvorwurf hinzu. Laut einem internen Gutachten ist der Treuhandnachfolgerin BvS seit Monaten bekannt, daß Elf auch am Baupreis gedreht hat: 3,3 Milliarden lautete der Kostenvoranschlag der Franzosen und damit die Grundlage für Subventionen und Bürgschaften. Unabhängige Gutachter kamen selbst nach mehrmaligem Nachrechnen nur auf zwei Milliarden – das heißt, Zuschüsse sind viel zu hoch gewährt worden.

Obwohl das alles bekannt ist, wiegelt die Treuhandnachfolgerin immer noch ab. Anlaß, die Staatsanwaltschaft einzuschalten, gebe es noch keinen, heißt es dort. Ist das Angst vor der eigenen Courage, weil der Großinvestor nicht verprellt werden soll? Möglich. Vielleicht aber auch die Lawinenangst bei denen, die die DDR privatisiert haben. Schließlich weckt ein Verfahren oder gar eine Verurteilung schlafende Hunde. Denn nicht nur das französische Unternehmen hat versucht, mit Hilfe von Subventionen in Ostdeutschland höchstmöglichen Profit zu machen.

Deutsche Konzerne haben bei den Privatisierungen natürlich viel mehr mitgemischt. Wer ostdeutsche Betriebsräte fragt, erfährt viel über das Versagen der Retter aus dem Westen. Doch eine Welle von Verfahren gegen die Chefs unserer Großunternehmen können der Kanzler und sein Finanzminister derzeit nicht brauchen. Wie stünde da der Standort Deutschland da? Wie sollten die Bürger den kommenden Sozialabbau klaglos schlucken, wenn er von einer Welle von Verfahren gegen Industriebosse begleitet wäre? Also lieber alles unter die großen Teppiche in Bonn und Berlin kehren. Reiner Metzger

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