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■ In den Fängen der AdressenhändlerSie sind an der Reihe, Herr Ansorge!

Es war aber auch zu verlockend: 10.000 Mark, so hatte die Versandfirma versprochen, habe man garantiert gewonnen, wenn man Ralf Ansorge heißt und den Coupon ausgefüllt zurückschickt. Statt Geld kamen allerdings nur regelmäßig neue Gewinnspiele von allen möglichen anderen Firmen. Jeden Tag schleppt nun die Postbotin das Zeug an, ich werfe es ungeöffnet in die Papiermülltonne. So weit, so sinnlos.

Doch jetzt kam Hanussen, der „Hellseher und Lebensberater“. Per „eilige Post aus Salzburg“. Hanussen hat das Innere nach außen gekehrt: Seinen Botschaft steht auf dem Briefumschlag. Man kommt also ums Lesen gar nicht herum. Hanussen will mir auch keinen Gewinn andienen, den es eh nicht gibt: Er ist der Gewinn. Schreibt er. Und will perönlich zu mir nach Hause kommen. Nicht sofort natürlich, erst wenn ich den beiliegenden Coupon ausgefüllt an seine Mitarbeiter schicke. Aber dann: „Was für ein herrliches Gefühl muß es sein, diese Straße englang zu gehen“, schreibt er über meine Straße, deren Anblick alles andere als herrliche Gefühle auslöst, „ganz allein“ (man ist hier nie allein), „tief meditierend“ (das wäre hier mit Sicherheit das Gesprächsthema des Jahres), „bis ich dann vor der Hausnummer 40 stehe. Sie sehen mich, Sie öffnen mir, plötzlich stehe ich in Ihrem Wohnzimmer, ich halte Ihre Hand ganz fest, schaue Ihnen tief in die Augen.“

Als wäre diese Vorstellung nicht schon für zwei, drei nervenberuhigende Whiskys gut, schreit er mich auch noch in Großbuchstaben an: „Herr Ansorge, ich bin überzeugt, daß jeder Mensch alle sieben Jahre einen neuen Höhepunkt für Liebe, Geld, Gesundheit erreicht. Und jetzt können Sie an der Reihe sein, Herr Ansorge.“ Ich stelle mir Hanussen (die Bilder auf dem Brief weisen ihn als silberhaarigen, Rollkragenpulli tragenden Mann aus, dessen Hände immer in entrückter Betstellung sind) in meinem Wohnzimmer vor, wie er da – „sicher hatten Sie, lieber Herr Ralf Ansorge, es in den letzten Jahren nicht leicht! Diese Sorgen! Dieser Kummer! Diese Intrigen!“ – sitzt, meine ganzen Sorgen also entsorgt, alle Intrigen dieser Welt von mir hält und mir nebenbei die richtigen Lottozahlen voraussagt. Das ist im Service nämlich mit inbegriffen.

Verflixtes Gewinnspiel. Aber es beweist, daß meine Oma eben doch recht hat: Geld gewinnt man nicht, Geld erarbeitet man sich. Vielleicht.

Für mich ist es zu spät. Für alle anderen aber hier die Warnung: Schickt keine Coupons für garantiertes Gewinnen zurück – Ihr werdet Hanussen ernten. Ralf Ansorge

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