Schule mit Macho-Filter

■ Die Lufthansa Verkehrsfliegerschule feiert den 40. Geburtstag und wird GmbH

Am Freitag bin ich in Frankfurt mit einer zweimotorigen Piper Cheyenne abgestürzt. War es der Wind? War es der human factor? Ich zog in einer langen Schleife am Taunus vorbei, flog den Airport von Norden an, drückte den Vogel auf die Landebahn, da plötzlich fing die Kiste an zu eiern, setzte mehr als unsanft auf, und das Fahrwerk war hin. Zum Glück drehte der Fluglehrer dann den Saft des Simulators ab. Meine Hände: schweißnaß.

Zum 40. Geburtstag der Luft-hansa Verkehrsfliegerschule am Bremer Flughafen durften Presseleute mal ökologisch fliegen und ohne Folgekosten abstürzen. Und zugleich eine der wichtigsten Komponenten der Verkehrsfliegerausbildung kennenlernen – den Simulator. Für 1.200 Mark pro Stunde (der Flieger kostet mindestens zehn- mal soviel) lernen die Jungpiloten, sich - ohne Krach und Dreck zu machen - in solch verzwickten und gefährlichen Lagen zurechtzufinden, die man im echten Leben nur unter Lebensgefahr übt.

Treffen sich zum 40. Geburtstag die alten Flieger und Fluglehrer am alten Ort, reden sie gern über Lebensgefahr, so daß man sich die Ohren zuhalten muß. Wie sie damals, in den Fünfzigern, den Maschinenausfall beim Starten übten – „lebensgefährlich“. Die alten Flieger und Fluglehrer beweisen auch gern, daß die aktuelle Diskussion um Einsparung des Copiloten und immer mehr Vertrauen in die Automatik Quatsch ist. Sie haben tausend Geschichten auf Lager: Da fielen Systeme aus, klemmten Hebel, klebten Schalter, flippte die Elektronik aus – und immer war es der Mensch mit seinem human factor, der rettend eingriff, nebenbei und unspektakulär, in der Kabine hat das niemand gemerkt, und eigentlich wollen wir das auch gar nicht so genau wissen.

Die alten Flieger und Fluglehrer sagen, daß mit den richtigen Handgriffen ein Flugzeug, dem alle vier Triebwerke ausfallen, noch 100 Meilen „segelt“, alles „kein Problem“. Wer jetzt denkt, Piloten wären ziemliche Machos, der irrt: Im gnadenlosen Auswahlverfahren für die Pilotenausbildung gibt es ein spezielles Sieb, das Machos herausfiltert. Ein Test-Programm namens „Verdi“ macht den Macker, der sich in der Krise gern verkrampft, dingfest. Was zählt, ist Teamgeist.

Wenn der 40. Geburtstag auf 1992 gefallen wäre, hätte die Luft-hansaschule womöglich gar nicht gefeiert. Damals war Krise in der Branche, 450 Schüler in der Ausbildung und keinerlei Bedarf dafür. Heute ist wieder Boom. Fast alle der damals Geparkten sind in Lohn und Brot, und darüberhinaus kämmt Lufthansa derzeit den ganzen deutschen Verkehrsfliegermarkt durch; jeder, der irgendeinen qualifizierten Schein hat, darf sich als eingeladen betrachten, im Schnellkurs LH-Pilot zu werden. Sogar einen Schock taufrischer Spanier, die in Bremen ausgebildet, von ihrer spanischen Airline aber nicht übernommen werden, dürfen sich demnächst als „Lufthanseaten“ betrachten. Nur Frauen wollen und wollen nicht kommen. Sie schaffen nicht mal die 5-%-Hürde.

Fünf Jahre hat Dieter Harms, Bereichsleiter Fliegendes Personal und B747-Pilot, gebraucht, bis ihm das Wort „unser Produkt Training“ von den Lippen ging. Wenn in einem so satten und gemütlichen Betrieb wie der Lufthansa von „Produkten“ die Rede ist, ahnt man: Es geht um Privatisierung. Tatsächlich wird die Flugschule ab 1997 eine GmbH sein und Geld verdienen müssen. Lufthanseaten sind recht verwöhnt; doch auch die Lufthansa muß sparen. In Bremen werden also demnächst möglicherweise Piloten aus aller Herren Länder ausgebildet, so sie das nötige Kleingeld haben. Bremen hat einen guten und teuren Ruf.

Seit einem Jahr „übt“ Harms, der Chef der zukünftigen „Lufthansa Flight Training GmbH“, schon mal Marktwirtschaft. Inzwischen verkauft die Schule ihr „Produkt“ Kundenbetreuung oder wie ist man nett zu denen, von denen man lebt? an Institutionen, die es nötig haben: Krankenhäuser und die Bahn AG. Doch Aufträge sind nur die eine Seite; die andere: Sparen. Deshalb spuckt den festlich gestimmten Lufthanseaten der Betriebsrat in die Suppe. Die Privatisierung geht nicht ohne Widerstand über die Bühne. Der Betriebsrat befürchtet, daß die Mitarbeiter der GmbH weniger Geld bekommen und die Firma noch mehr Kapazität in die USA verlegt. Er verteilte am Freitag eine Erklärung: „Die für den 3.Mai geplante 40-Jahrfeier der Schule wird von den Mitarbeitern/innen nicht unbeschwert begangen werden können.“ BuS