■ Rosi Rolands Bremer Geschichten: Schmuse-Jeckyll, Gen. Hyde
Was für eine schreckliche Woche! Tausende Vulkanesen standen fassungslos vor dem Werfttor und betrauerten das Aus. Lähmung: Für wen, gegen wen sollte da noch demonstriert werden? Wo doch die eigenen Leute eine derart zwielichtige Rolle gespielt haben. Gruselig, wie der Vulkan-Betriebsrat Hasso Kulla Tränchen zerquetschte über das Werk seines Genossen Hennemann, den er ein paar Wochen zuvor noch zum SPD-Delegierten befördert hatte.
Gruselig aber auch der Auftritt eines anderen: Manfred Muster, erster Bevollmächtigter der IG-Metall und eigentlich einer der besseren in der Führungsriege seiner Gewerkschaft. Der mutierte an diesem Tag der Arbeit mühelos vom Genossen Hyde zum Schmuse-Jeckyll.
Der kam bei der Mai-Demo richtig in Fahrt. Wenn der Kapitalismus nicht in der Lage wäre, Arbeit und soziale Sicherung zu gewährleisten „dann muß man den Kapitalismus in Frage stellen“, donnerte er den Vulkanesen entgegen. Der „Klassenkampf von Oben“ müsse mit dem „Klassenkampf von Unten“ beantwortet werden undsoweiter undsofort.
Sapperlot, mögen sich manche gedacht haben, von dem Mann ist einiges zu erwarten, zumindest Wortgewaltiges, denn: Muster war für den Abend bei Buten&Binnen eingeladen, und da konnte er es denen da oben mal so richtig zeigen. Finanzsenator Ulrich Nölle war auch da, und wenn es einen in Bremen gibt, der aufs Allerschönste Banken und Politik und dann auch noch die CDU verkörpert, dann doch der.
Aber Nölle hatte Glück. Irgendwie muß Muster im Laufe des Tages eine Metamorphose durchgemacht haben. Als Tiger losgesprungen, als Bettvorleger gelandet.
Im Fernsehstudio nämlich schmuselte sich ebendieser Muster an Nölle ran, daß es kaum zum Aushalten war. Nölle hatte gesagt, der Senat werde sich völlig aus der Formulierung eines Unterweserkonzeptes für die Werften heraushalten. Damit solle die Politik nichts zu tun haben. Und was sagte Muster? Muster sagte, daß man nichts Unbilliges vom Senat erwarten dürfe, daß die Politik nicht überfordert werden dürfe. Muster bedankte sich artig für die Beschäftigungsgesellschaft und sagte, daß er nun guten Mutes sei, daß der Vergleichsverwalter retten würde, was zu retten sei.
Wie sich die Vulkanesen da wohl gefühlt haben, die Muster ein paar Stunden zuvor noch in die letzte Schlacht schicken wollte, fragt Ihre Rosi Roland
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