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Wie damals auf dem Mond

Neue Ordnung im Welteishockey: Mit der wirtschaftlichen Hinwendung zur NHL erleben auch Team Kanada und USA eine WM-Renaissance  ■ Aus Wien Günter Klein

In der Stunde des Triumphes wurden historische Vergleiche bemüht. „Auf dem Mond“, ließ Ron Wilson, Cheftrainer der US-amerikanischen Eishockeyspieler, verlauten, „haben die Vereinigten Staaten die Russen auch geschlagen. Das ist für uns das Urerlebnis.“ Im Sport fand es seine Wiederholung bei den Olympischen Spielen 1980 in Lake Placid, als zwei Dutzend College-Boys den auf Erfolg programmierten sowjetischen Staatsamateuren die Goldmedaille nahmen – was bis heute als Inbegriff der Eishockey-Sensation gilt. Und nun wurde Wien zum kleinen Lake Placid: Die Amerikaner, die sich selbst despektierlich eine „Klempnertruppe“ (Mittelstürmer Brian Rolston) nannten, gewannen Bronze, ihre erste WM-Medaille seit 34 Jahren. Und sie vollbrachten am Samstag den Coup, einen 0:3-Rückstand in einen 4:3-Sieg in der Verlängerung umzuwandeln, gegen das noch immer funktionierende Feindbild Rußland.

Da im Halbfinale auch die Kanadier der ehemals ruhmreichen „sbornaja“ ähnliche Schmach bereitet hatte (die Russen konnten einen 2:0-Vorsprung nicht halten und verloren im Penaltyschießen), ergibt sich an der Weltspitze eine völlig neue Ordnung: Zwei der Medaillenränge belegt Nordamerika, lediglich die überraschend wiedererstarkten Tschechen retten die Ehre Europas.

Die nordamerikanische Dominanz ist bezeichnend für die Situation im internationalen Eishockey, auch für die politische. Denn immer stärker sucht der Weltverband IIHF (International Ice Hockey Federation) die Anlehnung an die in den USA und Kanada beheimatete National Hockey League (NHL). Früher war's anders. „Früher“, sagt der Schweizer IIHF-Präsident René Fasel – nicht als erster und nicht zum ersten Mal – „hatten wir bei der WM noch die starken Russen und Tschechen zur Verfügung.“ Heute spielen deren Beste eben auch in der NHL.

Statt Rivalität pflegt Fasel deshalb nun Partnerschaft. Kernpunkt der Kooperation sind die Winterspiele 1998 im japanischen Nagano. Die NHL wird dort all ihre Vorzeigespieler präsentieren und sechs Mannschaften (Kanada, USA, Schweden, Finnland, Tschechien, Rußland) zu „Dream Teams“ aufwerten. Die IIHF als Mitglied der Olympischen Bewegung verschafft der Profiliga die Eintrittskarte. Die NHL kann weltweit für sich werben und den Merchandising-Markt erweitern, René Fasel kalkuliert, daß dadurch das gesamte Eishockey – auch das außerhalb Amerikas – einen Popularitätsschub erhält und hinter dem Fußball sich als Weltsportart Nummer zwei etabliert.

Bei der WM in Wien haben IIHF und NHL ihren Kooperationsvertrag bis ins Jahr 2.001 verlängert. 67 Profis von drüben (aus den Klubs, die die Play-offs nicht erreichten oder früh ausschieden) weilten in Wien, 52 bestückten die vier Teams, die um die Medaillen spielten. Das erwies sich vor allem für die nordamerikanischen Fernsehstationen als segensreich. Das kanadische „The Sports Network“ brauchte Übertragungsstoff, nachdem alle Klubmannschaften des Landes aus dem Stanley-Cup ausgeschieden waren. Und der US- amerikanische Sportsender ESPN stieg zumindest mit dem Zusammenschnitt von Höhepunkten ein. US-Coach Ron Wilson: „Das erste Mal überhaupt. Bis jetzt wußten die meisten Leute noch gar nicht, daß es eine WM im Eishockey überhaupt gibt.“

Das wird René Fasel gerne hören, der die (potentiellen) Konsumenten mit Eishockey-Events nachgerade überhäufen will. Zu Beginn der kommenden Saison veranstaltet die IIHF mit der Spielergewerkschaft der NHL den „World Cup of Hockey“, dessen Erlös in die Pensionskassen der Liga fließt – doch vor allem ist der Weltcup schon mal ein Testlauf für Nagano 98. Im September, gleich nach dem World Cup, startet die European Hockey League mit 20 überwiegend großstädtischen Klubs (aus Deutschland die Kölner Haie und Preussen Berlin) – irgendwann sollen die Besten mit NHL-Vereinen um einen „Supercup“ spielen. Der neuen Entwicklung ungeachtet, steht auch noch der altgediente Europacup-Wettbewerb der Landesmeister zur Austragung an, und damit der Puck auch im Sommer ein Thema bleibt, lädt Fasels IIHF fortan im August zur WM der Inline-Skater mit 16 Nationen. Die Schlittschuhkufen werden einfach gegen Rollen getauscht.

Die neuen Geschäftszweige sollen den wirtschaftlichen Gewinn erbringen, den der Weltverband bislang mit seiner A-WM erzielte. Die defizitären Kleinturniere bis hinab zur Weltmeisterschaft der Gruppe D (mit Nationen wie Australien, der Türkei und Israel) werden demnächst abgeschafft, und um ein weiteres Aufkommen Osteuropas zu verhindern (Lettland steigt in die A-Gruppe auf, Weißrußland und Kasachstan sind die nächsten Kandidaten) werden künftig regionale Vorqualifikationen ausgetragen. Die nächste Weltmeisterschaft, 1997 in Finnland, erlebt zudem einen neuen Modus.

Meister- und Aufstiegsrunde werden wieder eingeführt, die Play-offs abgeschafft, außer im Finale. Das kann über drei Spiele gehen, und man weiß noch nicht, ob die Weltmeisterschaft an einem Montag oder Mittwoch enden wird. Dem Veranstalter ist das jedoch egal: Über 20 Prozent mehr Spiele bedeuten höhere Einnahmen.

Begeisterung hat der neue Modus nur bei der russischen Fraktion hervorgerufen – weil das bisherige System den 23fachen Weltmeister häufig zum unglücklichen Verlierer gemacht hat.

„Wir haben in der regulären Spielzeit nie verloren, aus acht Spielen 14 Punkte geholt und sind doch nur Vierter geworden“, sagte Trainer Wladimir Wassiljew beim Abschied aus Wien: „Ich jedenfalls möchte die IIHF zu ihrer Entscheidung beglückwünschen.“

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