: Bio-Rindfleisch aus der Supermarkttruhe
Die Nachfrage nach Öko-Fleisch boomt, seit alle vom Rinderwahn reden. Während die Biobauern in Ostdeutschland Tausende von Tieren großziehen, gibt es im Westen nur Höfe mit mehreren Dutzend Rindern ■ Von Klaus Wittmann
Krasser könnte der Unterschied nicht sein. Während in Bayern ein Biobauer mit achtzig Kühen im Stall schon neidvoll als „Großkopferter“ beäugt wird, wird in den neuen Bundesländern bei solchen Zahlen nur geschmunzelt. Das ist auch bei Biobauern nicht anders. Die „Erzeugergemeinschaft Weidehof“ in Mecklenburg-Vorpommern hält in ihren vier Biohöfen 6.000 Rinder und erwirtschaftet damit einen Umsatz von rund vier Millionen Mark im Jahr.
„Die Nachfrage ist zwar auch bei uns gestiegen, seit die Schlagzeilen mit BSE sich häufen. Aber wir brauchen natürlich feste Abnehmer“, sagt Weidehof-Geschäftsführer Rainer Mitschka. Der Babynahrungshersteller Hipp aus dem bayerischen Pfaffenhofen an der Ilm ist einer dieser Großabnehmer. Hipp verläßt sich dabei nicht allein auf die Untersuchungen von der Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau (AGÖL), denen sich die Erzeugergemeinschaft als Mitglied im Biopark- Kontrollverband unterwirft. Bei jeder Schlachtung sind Hipp-Mitarbeiter dabei.
Der Viehbesatz bei den vier Biohöfen liegt bei einer bis eineinhalb Großvieheinheiten (GVE), wie es im Fachjargon heißt. Im Klartext: Pro Hektar eine Mutterkuh und ein Kalb. „Natürlich können wir nicht zu den Preisen produzieren, wie es der Verbraucher aus dem Supermarkt gewöhnt ist“, sagt Rainer Mitschka. Wer im Einklang mit der Natur produzieren will, brauche erheblich mehr Fläche und persönlichen Einsatz der Landwirte. Schließlich seien Masthilfen, Pestizide und Fungizide tabu. „Wir erreichen natürlich nicht wie die Direktvermarkter in Bayern um 50 Prozent höhere Preise. Aber bei 20 bis 25 Prozent hat sich das auch bei uns eingependelt“, so der Geschäftsführer.
Als die einstigen LPGs immer häufiger zu Biobetrieben umgewandelt wurden, war die Skepsis in den ökologischen Verbänden groß. Kann ein Betrieb in solchen Größenordnungen biologisch- kontrolliert produzieren, war die immer wieder gestellte Frage. Bei der AGÖL und bei der Stiftung Ökologie und Landbau ist das Mißtrauen verflogen. Beate Dussa, die das bundesweite BSE- Infotelefon der Arbeitsgemeinschaft in den vergangenen drei Wochen bediente, meint, daß der Bedarf an Biofleisch allein von Kleinbetrieben längst nicht gedeckt werden kann. Da sei es schlichtweg unumgänglich, daß auch Großbetriebe auf diese Form der Bewirtschaftung umstellen.
Einfach haben es die Großen freilich nicht mit der Vermarktung in so dünnbesiedelten und armen Gegenden wie Mecklenburg-Vorpommern. Da versuchte man es zunächst mit Biofleisch in der Tiefkühltruhe. Unter der Marke Hipp und dem Slogan „Bio-Fleisch für Ihre Familie“ lief ein Test in 50 Tengelmann-Filialen. Doch in der Verkaufsphilosophie steckte ein Widerspruch an sich: Biofleisch und Tiefkühlkost paßt nicht. Zudem wußten viel zuwenig Verbraucher, daß Hipp nicht nur Babynahrung vertreibt. Jetzt wird an einer neuen Werbestrategie und Präsentation gearbeitet. Das Biofleisch aus der mecklenburgischen Erzeugergemeinschaft soll als Frischfleisch in die Märkte kommen. Das wird auch höchste Zeit, denn die Nachfrage bei den Kunden ist wegen des Rinderwahns erheblich gestiegen. Freilich tut sich der Lebensmitteleinzelhandel noch recht schwer, das auch in konkrete Angebote umzusetzen.
Bei der „Erzeugergemeinschaft Weidehof“ stehen zwei weitere Betriebe kurz vor der Umstellung. Es wird also in absehbarer Zeit allein hierdurch 1.000 Bio-Rinder mehr aus Mecklenburg-Vorpommern geben – Rinder und Kälber, die von April bis Oktober zum Teil sogar auf unbewohnte Inseln verfrachtet werden, wo sie Tag und Nacht freien Auslauf haben – ähnlich wie die Rinder im Allgäu.
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