Wer nichts tut, muß später mehr zahlen

Umweltrat kritisiert Kohls Klimapolitik: Acht Jahre Untätigkeit. Heute gibt es 154 Wege, um zu einem Grenzwert zu kommen. Selbstverpflichtung der Industrie ist unwirksam  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin (taz) – Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen hat sich die Bundesregierung gestern heftig zur Brust genommen. „Keine Atempause im Umweltschutz“, verlangten die Umweltweisen bei der Vorstellung ihres Gutachtens 1996. Fehler von heute würden später nur um so teurer. „Die Fehler, die wir machen, werden zu Reparaturmaßnahmen führen, die ein Vielfaches dessen kosten, was die Vermeidung von Umweltschäden kostet“, so der Ratsvorsitzende Professor Hans Willi Thoenes.

Die Kritik der Öko-Weisen konzentrierte sich auf drei Bereiche. Zum ersten forderten sie eine transparente Umweltverwaltung. Grenzwerte müßten künftig durchschaubarer werden. Der Rat hat in Deutschland 154 unterschiedliche Verfahren gezählt, nach denen bisher Grenzwerte im Gesundheits- und Umweltschutz festgelegt werden. Die wenigsten davon seien demokratisch.

Zweitens verlangten die Gutachter in einem Sondergutachten zur umweltgerechten Landwirtschaft von der Bundesregierung, die Subventionen in der Landwirtschaft so umzustellen, daß künftig die Umweltschutz- und nicht die Produktionsleistungen der Bauern honoriert würden. Schließlich widmeten sich die Umweltweisen noch einmal ausführlich einer ökologischen Finanzreform.

Ratsmitglied Professor Hans- Jürgen Ewers forderte die Abschaffung der Mineralölsteuerbefreiung in der Landwirtschaft und in der Binnenschiffahrt. Kerosin müsse im innerdeutschen Flugverkehr endlich besteuert werden. Vor allem aber „sollte die Regierung auf EU-Ebene durchsetzen, daß Kerosin besteuert wird“, forderte er.

Der Klimapolitik der Bundesregierung erteilte Ewers eine besonders schlechte Note. „Im Grunde hat sich seit 1988 nichts Wesentliches getan“, so der Ökonom Ewers. Wegen der Untätigkeit der Kohl-Regierung werde es immer schwieriger, eine Verringerung der Kohlendioxidemissionen um 25 Prozent zu erreichen. Wenn die Bundesregierung ihr Ziel noch erreichen wolle, müsse sie jetzt die Energiesteuern so deutlich erhöhen, daß es „eine ziemliche Blutspur hinterläßt“. Im Gutachten ist von einer notwendigen Steuerbelastung von 215 Mark pro Tonne Kohlendioxid die Rede.

Im wesentlichen das gleiche Argumente gilt nach Ewers' Worten auch für die Mineralölsteuer. Vor zwei Jahren habe Prognos vorhergesagt, daß man den Benzinpreis bis zum Jahr 2005 auf 4,60 bis 5 Mark erhöhen müßte, um das Klimaschutzziel zu erreichen. „Heute muß es noch teurer werden.“

Den von der Regierung favorisierten Selbstverpflichtungen der Industrie steht der Rat skeptisch gegenüber. Hier würden technologische Entwicklungen als umweltpolitische Zusatzleistungen verkauft. Die Effizienzsteigerungen beim Energieverbrauch hätten in den vergangene Jahren zum Beispiel höher gelegen, als der von der Wirtschaft für die Zukunft versprochene Klimaschutz.