Die präzise Schönheit der Kennerschaft

■ Die britische Pop-Formation High Llamas mit Quellenkunde in der Musikgeschichte

Ein kluger Mann hat mal gesagt, früher seien Musikjournalisten verhinderte Musiker gewesen, heute seien Musiker verhinderte Musik- journalisten. Zumindest was die britische Insel angeht, trifft diese Beobachtung zu hundert Prozent zu. Dort werden Bands gegründet, weil junge Leute ihre Plattensammlung und ihre Sicht der Popgeschichte promoten wollen. Die High Llamas sind ein weiteres Beispiel dafür.

Er wolle ein Album machen, das „klassisches Bacharach-Songwriting, Mingus-Bläser, ein Mike-Nesemith-Feeling und das alles in der Art von europäischen Soundtrack-Komponisten und Serge Gainsbourg“ miteinander verbinde, hatte Bandleader Sean O'Hagan letztes Jahr verkündet. Derartige hochtrabende Äußerungen sind nicht selten in der britischen Musikszene. Erstaunlich ist jedoch, daß O'Hagan sein Versprechen einlöste. Wo der normale Brit-Popper schon scheitert, wenn er die Akkorde von „Ticket To Ride“ heraushören soll, ist es den High Llamas auf Hawaii gelungen, virtuos und kompetent Zitate aus den vierzig Jahren Musikgeschichte zu einem siebzigminütigen Opus Magnum zusammenzubauen.

Man kann das Album als Quizaufgabe ansehen, sich mit einigen Auskennern zusammensetzen und versuchen, herauszufinden, welcher Sound, welches Melodiefragment aus welchem Song stammt – die Antwort ist in der Hälfte irgendein Beach-Boy-Song der späten 60er oder frühen 70er. Vielleicht wird einem jedoch der größere Hörgenuß beschert, wenn man alle diese Quellen gar nicht kennt und sich unbelastet von dem Reichtum und der Schönheit dieser Musik forttragen läßt.

Nach etlichen Fehlversuchen, etwa mit der Gruppe Microdisney, solo oder als assoziiertes Stereolab-Mitglied habe er sich endlich getraut, die Platte zu machen, die er selbst gerne hören wolle, verrät O'Hagan. Auf die Deutschland-Tournee durfte er seine Streicher und Bläser leider nicht mitnehmen, Banjo und Moog sind jedoch mit von der Partie und die Gesangssätze kommen auch live mit entwaffnender Präzision. Um den Abend so richtig rund zu machen, wurde mit Ja König Ja noch das beste Trio Deutschlands engagiert. Detlef Diederichsen

Di, 14. Mai, 21 Uhr, MarX