: Menschlich abschieben
■ Bürgerschaft: Innensenator findet Kritik an Bosnien-Rückführung gemein
Es war dem Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) gestern in der Bürgerschaft eine Herzensangelegenheit: Er wollte selbst vor der GAL nicht als Unmensch dastehen, der bosnische Bürgerkriegsflüchtlinge aus Hamburg vertreibt.
„Sie wollen die Flüchtlinge dorthin zurückschicken, wo sie mit Stock und Eisenstangen von ihren serbischen Landsleuten empfangen werden“, warf die GALierin Sabine Boehlich dem Vorsitzenden der Bundesinnenministerkonferenz (IMK) Wrocklage vor. Laut IMK-Beschluß soll ab Juli zurückgeführt werden. Nach den neuesten Bildern aus Bosnien aber hat sich die IMK dazu durchgerungen, sich vor Ort zu informieren, wohin sie eigentlich abschieben will.
„Wir haben den Grundsatz der Freiwilligkeit betont“, schwört Wrocklage. Doch wenn die Flüchtlinge ohne Zwang nicht gehen wollen, wird eben humanitär abgeschoben. Wenn die GAL Emotionen und bei Bürgerkriegsflüchtlingen den Eindruck wecke, sie könnten bleiben, findet Wrocklage das hochgradig verantwortungslos. Empörter Zwischenruf der GAL: „Jetzt gehen Sie zu weit, Herr Senator.“
GALierin Sabine Boehlich nannte Beispiele von traumatisierten und kranken Flüchtlingen, deren Duldung nicht verlängert wird. Das könne nicht stimmen, so der Senator. Vielleicht habe man die Ausländerbehörde darüber nicht informiert. Doch selbst der CDUler Wolfgang Kramer hatte Zweifel daran, daß die Verwaltung wirklich die Vorgaben der Politik umsetzt.
„Diese SPD-Fraktion wird nicht zulassen, daß Menschen in den Tod geschickt werden“, mischte sich Erhard Pumm (SPD) in die hitzige Debatte ein. „Obwohl man Gefährdungen nie ausschließen kann.“
Wrocklage versicherte unterdessen, sich jetzt selbst ein Bild in Bosnien zu machen: „Ich will eine solche Reise gern machen, warne aber vor zu großen Erwartungen.“ Es sei nicht Aufgabe der Innenminister, sich über die Lage vor Ort zu informieren. Im übrigen habe er Respekt „vor allen, die sich aus humanitären Gründen für bosnische Flüchtlinge einsetzen“. Das allein wird aber nicht reichen. GAL und Flüchtlingsorganisationen fordern konkrete Konsequenzen aus Wrocklages humanitären Beteuerungen.
Silke Mertins
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