„Teurer als eine Luxuswohnung“

■ 45 Mark Miete pro Quadratmeter im Wohnwagen-Lager: Bosnische Familie klagt vorm OVG / Muß die Stadt Gebühren zurückzahlen? Von Silke Mertins

Acht Quadratmeter Deutschland: Vier Jahre lebte die bosnische Flüchtlingsfamilie S. zu dritt in einem kleinen Wohnwagen der Sammelunterkunft Volkspark. Obwohl die 6jährige Tochter unter akuter Neurodermitis leidet, wies die Sozialbehörde die inzwischen vierköpfige Familie in ein anderes Containerdorf ein. Das kleine Mädchen sei schwer und chronisch krank, bestätigt ein ärztliches Attest, die „Stärke des Auftretens“ sei durch die äußeren Streßfaktoren – wie extreme Enge und schlechte Belüftung – mitbestimmt.

Weder eine ausreichende Salbenbehandlung noch eine Therapie mit Heilbädern sei möglich, so die behandelnde Ärztin. „Aus medizinischer Sicht möchte ich Sie daher bitten, die Familie bei der Versorgung mit einer Wohnung (mit Bad) dringendst zu berücksichtigen.“ Der Hamburger Völkerrechtler und Mitglied des Flüchtlings-Tribunals, Professor Norman Paech, schickte Briefe an die Sozialsenatorin Helgrit Fischer-Menzel, die sie „lediglich zur Kenntnis genommen“ habe, wie sie gestern mitteilen ließ. „Bis heute habe ich nicht mal eine Antwort bekommen“, kritisierte Paech gestern. Die Familie wurde wegen Auflösung des Wohnwagen-Lagers im Januar in einen Container eingewiesen. Doch hier, so behauptet die Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) schlicht, soll die Familie selbst den Einbau einer Badewanne abgelehnt haben.

Da man aber Menschlichkeit nicht einklagen kann, versucht die Familie nun mit Hilfe des Hamburger Flüchtlings-Tribunals gegen die erhobenen Gebühren der Wohnwagen-Lager zu klagen. 360 Mark kostete die Miete für die Unterbringung dreier Personen auf acht Quadratmetern. „Das ist mehr als man für ein möblierte Luxuswohnung bezahlt“, so Franz Forsmann vom Tribunal. In erster Instanz entschied das Verwaltungsgericht Hamburg zu Ungunsten der Familie. Das Gericht habe „keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Gebührenbescheides“. Die Frage der Verhältnismäßigkeit und der Verfassungsmäßigkeit hätte man in dem Eilverfahren aber nicht überprüfen können. Das Gericht stellte auch fest, daß bei einer erfolgreichen Beschwerde gegen den Gerichtsbeschluß vor dem Oberverwaltungsgericht, „die Gebühren von der Antragsgegnerin zurückzuzahlen sind“.

Das könnte für die Stadt teuer werden: Sie müßte dann an alle Flüchtlinge, die die zu unrecht erhobenen Wuchermieten als „Gebühren“ aus eigener Tasche berappt haben, zurückzahlen. Unbesorgt zeigt sich die BAGS: „Weitere Urteile bleiben abzuwarten.“

„Exemplarisch krasse Fälle auf den Rechtsweg zu geben“, ist richtig und wichtig, so Rechtsanwältin und Tribunal-Mitglied Sigrid Töpfer, aber die Gruppe will vor allem gegen alltägliche Ausgrenzung und Rassismus mit Aktionen vor Ort vorgehen. „Pervers“ sei es, so Töpfer, daß die Unterkünfte nicht nur menschenunwürdig, sondern auch gewollt teuer sind. Leider hätte Sozialsenatorin Fischer-Menzel nicht den Mut und die Souveränität, sich mit den KritikerInnen der Hamburger Flüchtlingspolitik auseinanderzusetzen, bedauert Norman Paech.