: Keine Doktrin, kein Dogma
■ Mirko Bonné, Matthias Göritz, Oliver Platz, Oskar Sodux – im Literaturhaus stellen sich diese Hamburger Nachwuchsautoren heute abend vor / Einer erzählte schon vorher, worum es geht
taz: Was verbindet die Autoren, die heute abend lesen werden?
Mirko Bonné: Wir alle sind Mitglieder des „Forums junger Autoren“, einer Hamburger Literaturgruppe, die sich 1989 gebildet hat. Wir treffen uns zweimal im Monat, zweimal im Jahr veranstalten wir eine Lesung, außerdem geben wir noch ein Jahrbuch heraus.
Gibt es ein gemeinsames Selbstverständnis der Gruppe?
Das ist nicht so eng. Wir verstehen uns als offenes Forum. Es gibt keine Doktrin und kein Dogma, wir bauen da eher auf Vielfalt.
Was erwartet die Zuhörer heute abend im Literaturhaus?
Oskar Sodux schreibt Prosa, wir anderen sind Lyriker. Als Gemeinsamkeit unserer Bemühungen läßt sich vielleicht das Abwenden von Zeitströmungen anführen, die allzu penetrant geworden sind. Zum einen wäre da die Postmorderne, zum anderen halten wir auch nichts vom Geschrei nach einem neuen Realismus. Überhaupt haben wir etwas gegen Ismen. Statt dessen versuchen wir, etwas Lebendigeres, Sinnlicheres an die Stelle zu setzen.
Im letzten „Hamburger Ziegel“, dem Jahrbuch für Hamburger Literatur, knüpfst Du mit Deinen „Dulsberger Elegien“ an Rilke an.
Ja, Rilke... Sicherlich knüpfe ich an ihn an, aber bestimmt nicht im Sinn eines neuen Ismus. Lyrik ist heute allgemein an einen Punkt Null angekommen. Auf der einen Seite gibt es eine ungeheure Last der Tradition; auf der einen Seite ist jede dieser Traditionen mittlerweils bis ins letzte durchanalysiert. Wir stehen da tatsächlich vor einem Scherbenhaufen. In dieser Situation wollen wir wieder einen Neuanfang wagen, Neues in den Mund nehmen.
Was habt Ihr gegen die Strömung des Neuen Realismus?
Das fängt schon damit an, daß ich, wenn mehr Wirklichkeitsnähe gefordert wird, nicht weiß, welche Wirklichkeit gemeint ist. Das Ganze hat etwas von einer Doktrin, ich fühle mich da gleich festgeschraubt. Im Hintergrund steht die Forderung, publikumswirksam zu schreiben, so wie die Amerikaner. Ich bewundere viele amerikanische Autoren, glaube aber, daß Deutsche und Amerikaner verschieden schreiben sollten. Und dann: Lyrik hat es gar nicht nötig, nützlich zu sein. Vorbeiexistieren am nutzbringenden Denken und Handeln, das ist es, was Lyrik braucht.
Kannst Du noch etwas zu Oskar Sordux sagen?
Orkar Sordux schreibt auch nicht in der amerikanischen Tradition. Er verfaßt witzige, bunte Geschichten, die Dorfidyllen zum Schauplatz haben. Dort läßt er Skurriles geschehen, wobei er sich an Schriftsteller wie etwa Bruno Schulz oder Robert Walser anlehnt.
Letzte Frage: Bei Eurer Lesung ist auch ein Kontrabaß angekündigt. Was hat das da zu suchen?
Im Forum haben wir in der Vergangenheit bereits einer Reihe von Musikern Auftrittsmöglichkeiten gegeben. Die Musik von Johannes Huth, der heute abend spielt, wird auf keinen Fall eine Untermalung oder reine Begleitung sein. Sie ist ein eigenständiges Element der Lesung. An einigen Stellen wird er auch in die gelesenen Texte hineinimprovisieren. Bisher klappte das immer ganz gut.
Fragen: Dirk Knipphals
Literaturhaus, 20 Uhr
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