: „Müssen Halbjahresnoten wirklich sein?“
■ GEW-Chef de Lorent fordert Entlastung für Lehrer / Senatorin Raab soll vorschlagen wie
„Wir können jederzeit über neue Arbeitszeitmodelle reden“, hatte Schulsenatorin Rosemarie Raab kürzlich im taz-Interview gesagt – gerichtet an die Adresse der Lehrergewerkschaften. GEW-Chef Hans-Peter de Lorent nahm diesen Ball jetzt auf. Gegenüber der taz erläuterte er, was er von Verhandlungen mit der Schulbehörde erwartet. Ob es zu solchen Gesprächen überhaupt kommt, hängt von einer Mitgliederbefragung ab, die kommende Woche an rund 8000 Hamburger GEW-Lehrer gerichtet wird.
„Große Verärgerung“, so de Lorent, habe die Raab-Äußerung verursacht, an den Gymnasien könnten in dem Umfang junge Kollegen eingestellt werden, in dem Lehrer auf Teilzeitarbeit gehen. De Lorent: „Für Personalplanung ist der Staat zuständig und niemand anderes.“ Jetzt den Lehrern die Verantwortung für die Fehlplanung zuzuschieben, die dazu geführt habe, daß der Altersdurchschnitt an dieser Schulform bei 50 Jahren liegt, sei „nicht gerechtfertigt“.
Auch den Ansatz der Senatorin, bei einem möglichen neuen Arbeitszeitmodell die Belastung verschiedener Fachlehrer (Beispiel: Deutsch und Sport) unterschiedlich zu gewichten, sei für die GEW tabu, „da diskutieren wir nicht drüber“.
Gleichwohl sieht de Lorent die Senatorin als Bündnispartnerin, wenn es darum geht, Bildungsstandards zu halten. „Mein Ansatz ist zu gucken, was können wir unter den gegebenen Bedingungen verbessern.“ Im Unterschied zu anderen in der GEW glaube er nicht, daß es möglich sei, die jüngst verfügte Arbeitszeitverlängerung für Lehrer zurückzukämpfen.
Denkbar sei, auf der Grundlage des jetzigen Lehrerstellenplans mit der Senatorin über ein Moratorium zu verhandeln, das über die Legislaturperiode hinausgeht. In dieser Zeit sollte an zehn Versuchsschulen nach dänischem Vorbild ein gerechteres Arbeitszeitmodell erprobt werden. De Lorent: „Derzeit sind die Stunden absolut willkürlich verteilt.“ Während sich etliche Kollegen selbst ausbeuten, engagieren sich andere weniger. In Dänemark müssen seit 1993 alle Lehrer um die Ferien bereinigt 37 Zeitarbeitsstunden in der Woche nachweisen. Das setze wenig engagierte Lehrer unter Zugzwang und schaffe Gerechtigkeit für die anderen.
Allerdings hatte das Modell in Dänemark dazu geführt, daß Aufgaben liegenblieben. De Lorent: „Da mußten die Kommunen entscheiden, ob zusätzliche Lehrer eingestellt werden, oder ob Dinge nicht mehr gemacht werden.“
Eine ähnliche Diskussion, nämlich darüber, ob „alles, was in Schule passiert, auch wirklich sein muß“, fordert der Gewerkschaftler für Hamburg ein. Angesichts der Arbeitszeitverlängerung gehöre es schon zur „Fürsorgepflicht des Arbeitgebers“, Vorschläge zu machen, wie Kollegen von überflüssigen Dingen entlastet werden können. De Lorent: „Quantität von Unterricht ist kein Zeichen für Qualität.“ Er könne sich sowohl das Wegfallen einzelner Klausuren – pro Klausur und Klasse wenden Lehrer bis zu 28 Stunden Korrekturzeit auf –, als auch den Verzicht auf das sehr aufwendige Halbjahreszeugnis oder gar die Kürzung der Stundentafel in den Klassen fünf bis sechs und in der Oberstufe vorstellen. Dabei ginge es auch um eine Entlastung für die Schüler. De Lorent: „Sieben Stunden für Zehnjährige muß nicht sein“. Auch sei er sich der Gefahr bewußt, daß eine Diskussion über die Stundentafel Begehrlichkeiten beim Finanzsenator wecken könnte.
Ob es tatsächlich zu einem Dialog zwischen GEW und Behördenspitze kommt, wird sich Mitte Februar nach der Auswertung der Fragebögen herausstellen. De Lorent sieht nicht zuletzt in dem umstrittenen Schulgesetzentwurf ein Indiz dafür, daß die Schulsenatorin eine Verbündete sei. Die Kritik konservativer Lehrerkreise teilt er nicht. „Es ist politisch unklug, alle Initiativen der Schulbehörde nur unter Spargesichtspunkten zu sehen“. Die größten Einsparungen gebe es jetzt, zu Zeiten, da Schulen noch nicht die Möglichkeit haben, sich selbst zu organisieren.
Kaija Kutter
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