Nackt ans Bett gefesselt

■ Hamburger Untersuchungshäftlinge: Noch nicht verurteilt, aber durch Knastalltag bestraft / Kaum Hofgang, aber viele Fesselzellen Von Sannah Koch

Offiziell noch unschuldig, aber bereits hinter Gittern, und das unter harten Bedingungen. Für die Insassen des Hamburger Untersuchungsgefängnisses (UG) am Holstenglacis bedeutet das in überbelegten Zellen 23 Stunden täglich unter Verschluß zu leben, eine Stunde Besuch im Monat und eine Stunde Hofgang am Tag. Für einige, vorzugsweise Drogenabhängige, kommt es noch schlimmer: Nackt an Händen und Füßen aufs Bett gefesselt, Tag und Nacht von Neonlicht beschienen, müssen sie ihren Drogenentzug durchstehen. „Hölle des Nordens“, nennen die Knackis der Republik das Gemäuer in der Hamburger Innenstadt.

Fast 1000 Häftlinge warten im chronisch überbelegten UG durchschnittlich zwischen drei Monaten und einem Jahr auf ihren Prozeß. Unter Haftbedingungen, die drastischer ausfallen, als die rechtskräftig verurteilter Strafgefangener in den übrigen Hamburger Knästen.

Eine Spezialität des UG: „Fesselzellen“ – Beobachtungszellen, wie der Anstaltsleiter sie nennt. Die Anstalt verfügt nämlich nicht nur über zwei besonders gesicherte, fensterlose und videoüberwachte Kellerzellen, in die Gefangene mit richterlicher Genehmigung gesperrt werden dürfen – die auch in den anderen Anstalten vorhanden sind. Am Holstenglacis existieren zudem drei weitere Fesselzellen in der Beobachtungstation B2 – und deren Auslastung liegt, so weiß man im Justizamt, weit über der anderer Vollzugsanstalten. Hier landet, wer zugibt, daß er süchtig ist. Deren Belegung muß der Aufsichtsbehörde erst nach drei Tagen gemeldet werden.

Über das Elend in den B2-Zellen können auch die anderen U-Häftlinge ein Lied singen: Sie werden durch das stundenlange Schreien der Gefesselten um den Schlaf gebracht. „Diese Knackis“, so weiß GAL-Referent Peter Mecklenburg, „werden nicht einmal zu den Mahlzeiten losgebunden oder wenn sie ihre Notdurft verrichten müssen.“ Auch bleibt ihnen mit den über dem Kopf gefesselten Händen keine Chance, sich gegen die Dauerbeleuchtung abzuschirmen.

Unkomfortabel ist auch der restliche Knastalltag: Rund 90 Prozent der acht Quadratmeter großen Einzelzellen sind wegen der Platznot doppelt belegt. „Auf freiwilliger Basis“, so Mündelein. „Aus Unkenntnis über unsere Rechte“, meinen die Insassen. Auch die rund 36 Quadratmeter großen Säle werden bis auf den letzten Zentimeter genutzt. „Bei einer Belegungsfähigkeit bis zu zehn Gefangenen ist es derzeit unvermeidlich, tatsächlich bis zu 15 Gefangene unterzubringen“, meint Mündelein.

Und in diesen Zellen müssen die U-Häftlinge 23 Stunden am Tag verbringen; nur eine Stunde Hofgang steht ihnen täglich zu, und das auch nur bei entsprechender Witterung. Auf Radio und Fernseher, die ihnen rechtlich zustünden, müssen die meisten ebenfalls verzichten. Wegen der veralteten Elektrik in dem Gemäuer haben die meisten Räume keinen Stromanschluß. „Wir lassen großzügig batteriebetriebene Empfangsgeräte zu“, wehrt Mündelein ab. „Die Kosten (bis zu 300 Mark im Monat) können sich die meisten nicht leisten“, erwidern die Gefangenen.

Rechtlich problematisch werden die Einschränkungen bei den rund 200 verurteilten Strafgefangenen, die wegen der Überbelegung der anderen Haftanstalten mittlerweile bis zu einem halben Jahr im UG auf ihre Verlegung warten müssen. Auch sie nur eine Stunde am Tag aus der Zelle gelassen (in den anderen Anstalten könnten sie sich tagsüber frei bewegen), haben keine Ausbildungs- oder Arbeitsmöglichkeiten; auch bekommen sie nur eingeschränkt Besucher. „In Santa Fu stünde ihnen wöchentlich eine Stunde zu, im UG erhalten Unverheiratete nur eine Stunde im Monat“, so Mecklenburg.

Manche Besucher mag der Anstaltsleiter gar nicht in sein Haus lassen: Darunter Peter Mecklenburg, der als Deputierter der Justizbehörde freien Zugang zu den Haftanstalten hat. Nicht aber im UG: Obwohl er jüngst eine richterliche Besuchsgenehmigung vorweisen konnte, verweigerte Mündelein ihm den Zutritt. Auch die mündliche Anweisung aus der Justizbehörde änderte daran nichts.