Die Kraft der Poesie

■ Ehrung für Theologin Dorothee Sölle

Die Poesie der Hamburger Theologin Dorothee Sölle hat nach Einschätzung des Bürgerrechtlers Pfarrer Friedrich Schorlemmer (Wittenberg) maßgeblich zur Gewaltlosigkeit der DDR-Bürgerbewegung beigetragen. Gedichte und Meditationen Sölles seien „elementarer Bestandteil“ vieler DDR-Biografien, sagte Schorlemmer in seinem Festvortrag zum Sölle-Symposion „Poesie und Befreiung“ am Sonnabend in Hamburg. Universität und Nordelbische Kirche ehrten damit die streitbare Theologin zu ihrem 65. Geburtstag. Bischöfin Maria Jepsen nannte Sölle eine „Prophetin“. Vor allem den Frauen in der Kirche habe ihre Stimme Mut gemacht.

Es sei traurig, so Schorlemmer, wie wenig die Poesie nach 1989 gebraucht werde. „Die Wahrheit wird zu einer Marktfrage.“ Deutschland fehle für die Versöhnung eine poetische Persönlichkeit wie die Nelson Mandelas.

In vielen Beiträgen des Symposions wurde beklagt, daß Sölle auf keinen bundesdeutschen Lehrstuhl für Theologie berufen worden sei. Dies sei eine der „bemerkenswertesten Torheiten“ der jüngeren Kirchengeschichte. Sölle war von 1957 bis 1987 Gastprofessorin in New York. Im Oktober vergangenen Jahres wurde ihr vom Hamburger Senat der Ehren-Titel „Professorin“ verliehen.

Thomas Morell/epd