: Von Gertig und Sierich
■ Schon vor 150 Jahren: Betuchte Herren mehrten ihr Vermögen durch reichen Grundbesitz in Winterhude
Winterhude erstickt zwischen Autos und Baustellen und ist dennoch ein beliebtes Wohnviertel. Vielleicht liegt das daran, daß die städtebaulichen Höhepunkte Winterhudes den Krieg recht gut überstanden haben und sich Straßenzüge heute mit einer relativ geschlossenen Bebauung sehen lassen können. Viele repräsentative Jahrhundertwende-Bauten stehen noch an ihrem Platz, und die Bombenschäden, die die Jarrestadt erlitten hat, sind kaum noch erkennbar. Ein Dorf, wie es laut „Hamburg zu Fuß“ (VSA-Verlag) um 1250 erstmals urkundlich erwähnt wurde, ist Winterhude freilich nicht mehr.
Bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts soll auf den Alsterwiesen noch gefräßiges Viehzeug gegrast haben. Dann freilich fanden sich betuchte Herren wie der Goldschmied Johann Sierich und der Lotterie-Besitzer Julius Gertig ein, die ihr Vermögen durch ihren Winterhuder Grundbesitz erfolgreich vermehren konnten. Sie und vor allem die Vornamen ihrer Frauen finden sich heute auf dem Stadtplan wieder: Gertigstraße, Sierichstraße, Maria-Louisen-Straße...
Julius Gertig teilte seine Trabrennbahn am Mühlenkamp beizeiten in etliche Straßenzüge ein. An der Alster, am Rondeelteich und am Leinpfadkanal entstanden herschaftliche Villen und Bürgerhäuser. Ein Teil des guten alten Hamburger Geldes sitzt noch heute am Stadtpark in von außen unauffälligen Einfamilienhäusern. Aufgrund der Nähe zum Wasser – Winterhude wird von diversen Alsterkanälen durchzogen – siedelte sich Kleingewerbe an. In den Fabriken der ehemaligen Winterhuder Industrie wird heute die Ausstattung für die Wohnkultur der neunziger Jahre verkauft.
Private Auftraggeber und Genossenschaften haben in den zwanziger Jahren mit dem Bau der Jarrestadt begonnen, die seit 1974 unter Milieuschutz steht. Die für die damalige Zeit geräumigen und lichten Arbeiterwohnungen gehen auf einen Ideenwettbewerb zurück, an dem nur Hamburger Architekten teilnehmen durften. Gegenüber der backsteinroten Jarrestadt liegt das Eisenwerk Nagel & Kaemp, in dem 1927-28 der Roman-Autor Willi Bredel gearbeitet hat und Betriebsratsmitglied war. Demnächst sollen dort auf dem Gelände, auf dem heute vor allem Kultur hergestellt wird, Sozialwohnungen entstehen.
Lisa Schönemann
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