Die Telekom als Kontrolleur

Leo Kirchs Einstieg ins Digital-TV wird blockiert: Die Telekom will in ihrem Kabelnetz ein eigenes Verschlüsselungssystem durchsetzen  ■ Von Michael Rediske

Berlin (taz) – Als erster hat Filmmogul Leo Kirch seinen digitalen Decoder vorgestellt, als erster will er in Deutschland sein Paket mit 50 Programmen Pay-TV starten. Kirch setzt darauf, schneller als seine Konkurrenz zu sein, schneller als das Bündnis aus Bertelsmann, Telekom und anderen. Doch eine Woche bevor sein Decoder zum ersten Mal im Berliner Pilotprojekt öffentlich eingesetzt werden soll, sieht es ganz so aus, als würde der Zeitvorsprung dahinschmelzen.

Jetzt blockiert ihn nämlich die Deutsche Telekom, die den Zugang zu 90 Prozent aller verkabelten Haushalte kontrolliert, mit einem ganz cleveren Trick: Sie will einfach alle digitalen Programme, die in ihr Netz wollen, nach ihrem eigenen System verschlüsseln – und das ist nicht ganz zufällig eines, das ihr Bündnispartner Bertelsmann auf den Markt bringt und das dummerweise mit dem von Kirch gewählten System nicht kompatibel ist.

Auch Kirch hat sich für die Einführung des digitalen Fernsehens mit potenten Partnern zusammengetan: der Metro seines langjährigen Geschäftspartners Otto Beisheim und der Vebacom, die als „technischer Dienstleister“ Kirchs Programmpakete an die Kunden bringen soll. Hier nun sagt die Telekom: Halt! Sie möchte Programme selbst zusammenstellen und am Umsatz des Pay-TV beteiligt werden. Schön und gut, antworten die Landesmedienanstalten. Aber nicht, solange die Telekom praktisch das Monopol bei den verkabelten Haushalten hat.

Die wiederum ficht das gar nicht an. Sie bestreitet einfach die Zuständigkeit der Medienwächter, wenn es um „technische Dienstleistungen im Kabel“ geht (Telekom- Sprecher Wilfried Seibel). Hans Hege, Vorsitzender der DVB-Arbeitsgruppe der Medienanstalten, kontert: Er und seine Kollegen hätten die Pflicht, den chancengleichen Zugang zum Kabel zu sichern und auch kleinere Anbieter gegen den Netzmonopolisten zu schützen.

Kirchs Decoder nur für Satellitenempfang?

Die Telekom verhandelt derweil selbst mit der Vebacom, die Kirchs und andere Programme vermarkten will. Erst einmal sitzt sie dabei am längeren Hebel, wie auch die Vebacom auf Anfrage der taz zugibt: „Sollte die Deutsche Telekom sich durchsetzen und Transcontrol [so nennt die Telekom ihr Verschlüsselungssystem] einsetzen, dann könnten unsere Decoder in der Tat nicht in deren Kabelnetzen eingesetzt werden.“ Und dann, läßt sich ergänzen, kann Kirch mit seinen Programmen nur noch die Haushalte erreichen, die eine Satellitenschüssel auf dem Dach oder dem Balkon haben. Zuwenig, um mit Bertelsmann auf dem vorerst kleinen Markt von Digital-Fans zu konkurrieren.

Die Frage ist: Will die Telekom eigentlich nur Geld kassieren und dafür mit ihrem Verschlüsselungssystem die Zahl der Zuschauer kontrollieren? Oder benutzt sie die Technik als Hilfsmittel, um ihrem Bündnispartner Bertelsmann, der mit seinen digitalen Programmen noch nicht soweit ist wie Konkurrent Kirch, Zeit zu geben?

Über das Geld könnte man sich sicherlich einig werden. Der Pay- Sender premiere will sich gegen Zahlungen an die Telekom beim Digital-TV „langfristig nicht sperren“, sagt seine Sprecherin Margit Lehmann zur taz. Über unterschiedliche Modelle, Pauschalen pro Abonnement oder eine Umsatzbeteiligung, werde nachgedacht. Aber auch premiere, das in Hamburg an einem kleinen digitalen Pilotversuch beteiligt ist, bekam die Macht der Telekom schon zu spüren. Mehrfach flogen seine Programme für kurze Zeit aus dem Kabel – angeblich wegen eigener Versuche der Telekom. Doch aus anderer Quelle verlautet, die Nadelstiche gegen premiere hätten erst nach einer Intervention von Bertelsmann-Chef Wössner bei Telekom-Chef Ron Sommer aufgehört.

Schwieriger dürfte es für Kirch und die Vebacom werden. Olaf Castritius, Vebacom-Bereichsleiter für Digital-TV, will die Telekom-Entscheidung natürlich „nicht hinnehmen“. Erst vor drei Monaten habe die Telekom zum ersten Mal von der Existenz ihres „Transcontrol“-Systems gesprochen und überhaupt erst vor kurzer Zeit schriftlich ihre Bedingungen gestellt. Bislang gibt es keine Annäherung, die Verhandlungen vor einer Woche verliefen ergebnislos, Telekom-Verhandlungsführer Klein bleibt bei seinem „Transcontrol“.

Wer kontrolliert die Kundenbeziehungen?

Allerdings wächst der Druck auf die Telekom. Auch das Berliner Kartellamt dürfte sich bald für ihren Versuch interessieren, das Programmangebot im digitalen Fernsehen zentral zu steuern und mit ihrem Verschlüsselungssystem die Kundenbeziehungen beim Pay-TV in die eigene Hand zu bekommen. Den Medienanstalten dürfte es allerdings auch nicht recht sein, wenn nur für die ebenfalls zentralistische Vebacom Chancengleichheit erreicht wird. Sie wollen mehr Wettbewerb auf regionaler und lokaler Ebene.