■ Wer rettet uns den Lebensabend? CDU-Biedenkopf mit der "Grundrente", die grüne Frau Fischer mit dem neuen "Generationenpakt" oder doch bloß Herr Kaiser von der Hamburg-Mannheimer mit der Lebensversicherung?
: taz-Lohn für alle über 65

Wer rettet uns den Lebensabend? CDU-Biedenkopf mit der „Grundrente“, die grüne Frau Fischer mit dem

neuen „Generationenpakt“ oder doch bloß Herr Kaiser von der Hamburg-Mannheimer mit der Lebensversicherung?

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Die Renten sind sicher. So lautet seit Jahren das Credo von Bundesarbeitsminister Norbert Blüm. Allerdings nur für die „jetzige Rentengeneration“, gab Bundeskanzler Kohl diese Woche endlich zu. Wie die Zukunft der Renten für heute 40jährige und jüngere aussehen wird, dazu will sich in Bonn niemand konkret äußern. Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) ist da direkter: Alle, die heute 40 und jünger sind, so erklärte er schon 1993, könnten im Alter nur noch mit einer „Grundsicherung“ rechnen. „Was darüber hinausgeht, muß jeder durch private Vorsorge absichern.“

Wenn sich an diesem Wochenende die Ministerpräsidenten der Länder treffen, um über das Sparpaket der Bundesregierung, die Sicherung des Sozialstaats und die Entwicklung der Arbeitsmarktsituation zu beraten, dann werden sie auch über die Zukunft der Renten sprechen. In einem gemeinsamen Positionspapier des niedersächsischen Landeschefs Gerhard Schröder (SPD) und seines sächsischen Kollegen Kurt Biedenkopf heißt es: „Alterssicherung und die Vorsorge für weitere Lebensrisiken sollte in Zukunft eine wichtige Motivation für die Vermögensbildung sein.“ In anderen Worten: Ohne Lebensversicherung oder eigenes Sparkapital wird im Alter niemand mehr ausreichend versorgt sein.

Biedenkopf geht noch einen Schritt weiter. Seiner Meinung nach ist die Zeit längst reif für einen Ausstieg aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Statt dessen solle jeder Mensch eine Grundrente beziehen, die aus Steuermitteln finanziert wird. Nach einem Modell des Bonner Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft (IWG) sollte diese Grundsicherung 40 Prozent des durchschnittlichen Nettoverdienstes aller abhängig Beschäftigten betragen. Gegenwärtig wären das 1.250 Mark, errechnete das IWG. „Wer im Alter sein Einkommen darüber hinaus aufstocken will“, so IWG-Chef und Biedenkopf-Berater Meinhard Miegel, „muß künftig verstärkt privat vorsorgen.“

Anspruch auf die Grundrente sollen alle Menschen ab ihrem 63. Lebensjahr haben, egal ob Männer oder Frauen, Erwerbstätige oder Erwerbslose, Selbständige, Beamte oder abhängig Beschäftigte, Deutsche oder Ausländer. Einzige Voraussetzung: Sie müssen nach dem 18. Geburtstag 25 Jahre lang in Deutschland gelebt haben. Finanziert werden soll die Grundsicherung ausschließlich aus indirekten Steuermitteln, in erster Linie durch eine deftige Erhöhung der Mehrwertsteuer auf mindestens 22 Prozent.

Von dieser Art der Grundrente, so Miegel, würden 40 Prozent der künftigen Rentner profitieren. Einbußen solle „nur die wirtschaftlich stärkere Bevölkerungsschicht erleiden“. Diese habe genug Geld, um ihren Lebensstandard durch private Vorsorge zu halten. Im bestehenden Rentensystem werde zudem die Erwerbsarbeit „stark überbewertet“, die Erziehung von Kindern hingegen kaum gewürdigt. Seit der Rentenreform von 1992 können zwar drei Jahre anstelle von einem als Kindererziehungszeit angerechnet werden. Doch eine Frau, die zwei Kinder erzogen, ansonsten aber keine Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat, hätte nur eine Rente von 180 Mark monatlich zu erwarten. Mit Hilfe der Grundrente, so argumentiert Miegel ganz frauenfreundlich, werde Familienarbeit endlich angemessen honoriert.

Ein weiteres Argument für die Grundrente ist laut Miegel die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Die traditionelle Vollzeitbeschäftigung, die sich über ein ganzes Erwerbsleben erstreckt, ist seiner Meinung nach passé. Das Berufsleben des einzelnen wird immer stärker von Brüchen bestimmt sein. Kaum jemand wird in Zukunft tatsächlich 45 Jahre lang am Stück arbeiten können und damit eine ausreichende Altersabsicherung über die gesetzliche Rentenversicherung erlangen. Daran sind die künftig Alten letztlich auch noch selbst schuld: „Seit geraumer Zeit“, so Miegel, „ziehen sie nur zwei Drittel der Kinder auf, die für eine Bestandserhaltung der Bevölkerung erforderlich sind.“ Konsum statt Kindern sei angesagt. Dabei gebe diese Generation dreistellige Milliardenbeträge aus, mit denen sie eigentlich schon heute fürs Alter vorsorgen müsse.

Bei den Regierenden stößt die Idee der Grundrente bisher auf wenig Gegenliebe. Arbeitsminister Blüm befürchtet bei ihrer Einführung „schwere soziale Turbulenzen“. Biedenkopfs Konzept sei pure „Gleichmacherei“, bei der sich Arbeit nicht mehr lohne. Die Einheitsrente sei eine „Prämie für Schwarzarbeiter und Aussteiger“. Anstelle einer Demontage der gesetzlichen Rentenversicherung setzt Blüm auf weitere Reformen. Erst diese Woche beschloß das Kabinett, die Anhebung der Altersgrenze für Frauen auf 65 Jahre in das Jahr 2001 vorzuverlegen.

Die „Fremdrenten“ für Aussiedler sollen bei allen künftigen Rentenzugängen um 40 Prozent abgesenkt werden. Für die schulische Ausbildung, darunter fällt auch das Studium, sollen künftig ab dem 17. Lebensjahr nur noch drei Jahre auf die Rente angerechnet werden. Bisher werden noch maximal sieben Jahre berücksichtigt.

Außerdem, so wollen es die Liberalen und der Wirtschaftsflügel in der Union, soll die erst 1992 reformierte Rentenformel erneut verändert werden. Die neue Berechnungsgrundlage soll stärker berücksichtigen, daß die deutsche Bevölkerung in den kommenden Jahren überproportional vergreist. Doch die demographische Situation, so die sozialpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, Andrea Fischer, ist weit weniger ein Parameter für die Renten als die Situation auf dem Arbeitsmarkt. Fischer plädiert deshalb für eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter, die nicht, wie Biedenkopfs Modell, „bei weit hergeholten Katastrophenszenarien ansetzt, sondern bei der sozialen Realität von heute“. Alte Menschen, deren Rente unterhalb des Existenzminimums liegt, so Fischers Vorschlag, sollten Anspruch auf eine Aufstockung haben. Außerdem müsse im Zuge einer Rentenreform auch darüber nachgedacht werden, „welchen Beitrag die heutige Altengeneration zur Sicherung der Renten leisten kann und muß“. Heute trügen die Jungen Sorge für die Alten. Doch der vielbeschworene Generationenvertrag müsse künftig in zwei Richtungen gedacht werden. Im Rahmen eines neuen „Generationenpaktes“ sollten Alte daher durch Verzicht dazu beitragen, daß „die Belastung der jungen Menschen nicht zu hoch steigt“. Karin Flothmann