: Jugendzentrum KOMM in der Zwickmühle
■ Veranstaltung zum Todestag von Ulrike Meinhof wurde zwangsläufig abgesagt. Die Stadtverwaltung drohte mit fristloser Kündigung des Nutzungsvertrags
Nürnberg (taz) – Das ist einmalig in der 23jährigen Geschichte des Nürnberger Jugendzentrums KOMM. Auf Druck der neuen CSU-Mehrheit im Stadtrat und der Stadtverwaltung hat der selbstverwaltete KOMM-Verein die gestrige Veranstaltung zum Todestag von Ulrike Meinhof abgesagt. Sie sollte unter dem Motto „Glaubt den Lügen der Mörder nicht!“ stattfinden. Der KOMM e.V. hat mit diesem Schritt eine förmliche Abmahnung als Voraussetzung für die von CSU-Oberbürgermeister Ludwig Scholz anvisierte fristlose Kündigungen der Verträge zwischen der Stadt und dem KOMM e.V. vermieden. Der Rechts- und Wirtschaftsausschuß des Stadtrates hatte zuvor einstimmig beschlossen, daß die Veranstaltung gegen „geltende Gesetze“ verstoße. Das „Infobüro für die Solidarität mit den politischen Gefangenen“ im KOMM wollte die Veranstaltung zum 20. Todestag von Ulrike Meinhof durchführen.
Mit Ali Jansen hatte man einen ehemaligen RAF-Terroristen geladen, um die offizielle Version vom Selbstmord Meinhofs als „Lüge der Mörder“ zu entlarven. Das Aussprechen der „Wahrheit“, daß „Ulrike bereits tot war, als sie aufgehängt wurde“, werde – so der Text des Flugblattes – „bis heute kriminalisiert“.
Für Klemens Gsell, den Fraktionschef der Nürnberger CSU, war damit der Tatbestand der „Verherrlichung einer Gewaltverbrecherin“ erfüllt. Auch für SPD- Fraktionschef Jürgen Fischer war klar, daß man über Ulrike Meinhof diskutieren könne, „aber nicht auf der Basis dieser Einladung“.
Der Rechts- und Wirtschaftsausschuß des Stadtrates beschloß, daß der KOMM e.V. zur Absetzung der Veranstaltung verpflichtet sei. Sollte er dies nicht tun, müsse er beim nächsten vertragswidrigen Verhalten mit der fristloser Kündigung rechnen. Der Ausschuß machte klar, daß die Einleitung eines Bürgerbegehrens zum Erhalt des KOMMs in seiner bisherigen Form eine fristlose Kündigung nicht verhindern könne.
Daraufhin beschloß der Vereinsvorstand des Zentrums, den Vertrag mit dem „Infobüro“ aufzukündigen. Dieses warf dem KOMM e.V. deshalb „politisch fatalen vorauseilenden Gehorsam“ vor und will jetzt juristisch die Durchführung der Veranstaltung erzwingen. Michael Popp, Leiter des Amtes für Kultur und Freizeit, betonte, er garantiere jederzeit dafür, daß man „im KOMM eine Veranstaltung zum Tode von Ulrike Meinhof machen“ könne. Die geplante Veranstaltung offenbare jedoch eine „distanzlose“ Haltung zur RAF und suche „nicht den Diskurs“. Sie gebe vielmehr „die Grundlagen der Arbeit im KOMM preis“. Bernd Siegler
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