: Friedliche Tage auf dem Schloß
Keine Front der Länderfürsten gegen den Bonner Sparkurs. Die Tagung der 16 MinisterpräsidentInnen verlief nett und im Konsens. 16 Beschlüsse wurden einstimmig gefasst, aus „Sorge um die Menschen“ ■ Von Markus Franz
Nettetal (taz) – Bundeskanzler Helmut Kohl konnte sich gestern entspannt zurücklehnen. Der vielbeschworene Geist von Schloß Krickenbeck in Nettetal, dem Tagungsort der 16 MinisterpräsidentInnen, wird ihm keine größeren Unannehmlichkeiten machen.
Dies war nicht unbedingt so zu erwarten gewesen. In den Vortagen war der Eindruck entstanden, die MinisterpräsidentInnen könnten ein Schreckgespenst entfesseln, daß gegen das von der Bundesregierung geplante Sparpaket vorgeht. Es schien so, als ob die MinisterpräsidentInnen schier aus Eigennutz – schließlich ging es um geplante Einschnitte bei den Länderfinanzen – Front gegen die Regierung machen würden.
So hatte Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber angekündigt, die Länder seien nicht bereit, Anteile an der Umsatzsteuer zurückzugeben. Und Sachsens CDU- Mann Kurt Biedenkopf war im Einklang mit Niedersachsens Gerhard Schröder in einem Positionspapier auf Konfrontationskurs gegangen, mit der dramatischen Feststellung: „In den Industriestaaten ist mit keinen neuen Arbeitsplätzen zu rechnen.“ Dabei hatte der Bundeskanzler bis Ende des Jahrhunderts zwei Millionen neue Arbeitsplätze versprochen. Der Geist schien also mit der Keule zu drohen. Doch das muß ein Wolkenbild gewesen sein.
Zum Abschluß der Konferenz am Sonntag vormittag zeigte sich der Geist jedenfalls als freundliches, harmoniebedürftiges Wesen. In der einzigen Pressekonferenz während der dreitägigen Zusammenkunft der MinisterpräsidentInnen sprach er durch eine aufgeräumt wirkende Heide Simonis, die den Vorsitz führte, in Richtung Bonn nur nette Botschaften aus: „Uns ging es nicht darum, eine Front gegen den Bund aufzubauen. Im Mittelpunkt standen die Sorgen der Menschen.“ 16 gemeinsame Beschlüsse wurden gefaßt, allesamt einstimmig, wie die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin betonte. Nur in einem Punkt habe ein Dissenz bestanden: Die CDU-regierten Länder plädieren für die Abschaffung der Vermögenssteuer, wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert, die SPD-Länder sind dagegen.
Doch auch diesen Punkt der Unstimmigkeit wollte Heide Simonis so nicht stehenlassen. Schließlich sollten ja „die Sorgen der Menschen“ im Mittelpunkt stehen, und wie würde sich dies mit Gezänk zwischen den LänderfürstInnen und der Bundesregierung vertragen? Die Länderchefs seien sich einig, hub Heide Simonis also noch mal an, daß der Wegfall der Vermögenssteuer, so es denn so kommen werde, nicht zu Lasten der Länderfinanzen gehen dürfe. Wie das realisiert werden kann, immerhin geht es für die Länder um etwa 9 Milliarden Mark, sagte die Ministerin nicht.
Tacheles wurde hauptsächlich in bezug auf die Länderfinanzen geredet. Diesbezüglich sitzen alle 16 schließlich in einem Boot. So lehnte die Runde eine Umverteilung der Einnahmen durch die Umsatzsteuer zugunsten des Bundes ab. Zudem solle sich die Reform der Kraftfahrzeugsteuer für die Länder neutral gestalten. Aus Sicht der Länder hatte man auch nichts anderes erwartet.
Spannend hätte es dagegen beim Thema Sparpaket werden können. Doch Heide Simonis nahm den hoffnungsvollen JournalistInnen gleich zu Beginn den Wind aus den Segel: „Selbstverständlich“, sagte sie, sei dazu nichts beschlossen worden. Das Sparpaket befinde sich in einem laufenden Verfahren, der Bundesrat werde darüber beraten. Möglicherweise müsse daher der Vermittlungsausschuß eingreifen, möglicherweise auch nicht. Der Bundesregierung droht durch die Länderchefs also erst einmal kein Ungemach. Die BürgerInnen müssen weiterhin hoffen, daß sich jemand ihrer Sorgen annimmt. Ob die Gewerkschaften jetzt einen neuen Geist heraufbeschwören?
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