Schnell und schlampig und ganz grundsätzlich

■ Verurteilung durch türkisches Staatssicherheitsgericht ist noch lange kein Asylgrund

Als das Staatssicherheitsgericht in Ankara Hüsnü P. verurteilte, war der Angeklagte bereits mit seiner Familie aus der Türkei geflohen. Bei einer Rückkehr drohen ihm mehr als vier Jahre Haft, mehr als fünf Jahre hat er bereits in türkischen Gefängnissen verbracht. Angeklagt wurde er – der seit knapp 20 Jahren für die verbotene linksextreme „Volksbefreiungspartei“ aktiv ist – auch wegen Mordes und Waffenbesitzes. Die Verurteilung erfolgte ausschließlich wegen Mitgliedschaft in einer „kriminellen Vereinigung“. Dennoch wurde ein Asylantrag der Familie vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Hamburg als „offenkundig unbegründet“ abgelehnt.

Eine Kopie des Urteils, ein Original der Anklageschrift und Zeitungsberichte über die Verhaftung und Verurteilung seines Mandanten seien vom Bundesamt „als gefälscht oder unbrauchbar vom Tisch gewischt“ worden, empört sich Rechtsanwalt Christian Rahn. Er habe während seiner 15jährigen Praxis selten einen Antragsteller vertreten, der derart umfangreiches Beweismaterial vorlegen konnte – und selten auch habe er ein „derartig schlampig“ geführtes Verfahren im Rahmen der Vorprüfung erlebt. Während des Erstgesprächs sei P. lediglich zu seinem Fluchtweg befragt worden, zu seinen politischen Aktivitäten wurde er nicht gehört. Das Erstgespräch geführt und die Ablehnungsentscheidung getroffen haben zudem zwei verschiedene Mitarbeiter des Bundesamts.

Da Hüsnü P. gegen die Entscheidung Klage eingereicht hat, ist das Verfahren ein schwebendes und der Leiter der Außenstelle Hamburg, Thomas Bösenberg, lediglich zu grundsätzlichen Auskünften bereit: Jeder Asylantrag werde gründlich geprüft; der Einzelentscheider sei dabei nicht an Weisungen gebunden. Als Leiter der Außenstelle prüfe er, Bösenberg, im Falle einer Beschwerde deren Berechtigung – und leite gegebenenfalls eine erneute Prüfung ein – nicht jedoch bei der Familie P.

Zynischerweise, meint Anwalt Rahn, sei das abgelehnt worden mit der Begründung, als Rechtsanwalt habe er doch selbst auf ein schnelles Verfahren gedrungen. Und das Bundesamt, meint Bösenberg wieder ganz grundsätzlich, verfahre möglichst schnell, um den Antragstellern rasch „ihr Recht zu verschaffen“. Rund zehn Prozent der Antragsteller würden vom Bundesamt anerkannt; mindestens noch einmal so viele Asylsuchende finden erst vor den Verwaltungsgerichten ihr Recht.

Es sei generell sehr schwer, beim Bundesamt in Hamburg als Asylberechtigter anerkannt zu werden, weiß Rechtsanwalt Rahn. In diesem Fall sei er jedoch von der Entscheidung überrascht worden. Er ist überzeugt, durch die Klage beim Verwaltungsgericht eine aufschiebende Wirkung erreichen zu können. Eine Abschiebung drohe seinen Mandanten also nicht; die Familie werde jedoch – ohne Recht auf eine eigene Wohnung oder Arbeit – voraussichtlich Jahre auf die mündliche Verhandlung warten müssen. Stefanie Winter