Solange das Image stimmt

■ Morgen nach dem Uerdingen-Spiel steigt die Klassenerhaltsfete. Dann wird es laut zugehen. Ansonsten schätzt man bei St. Pauli inzwischen leisere Töne

An Bier und Würstchen wird kein Mangel sein. Wohl präpariert ist der FC St. Pauli, der morgen seine Fans zum offiziellen Klassenerhalts-Fest auf den Vorplatz an der Budapester Straße bittet. Neben kulinarischen werden nach dem letzten Heimspiel gegen Uerdingen auch musikalische Leckerbissen offeriert: Unter anderen spielen Norbert & die Feiglinge, jene Band, die bereits die Saisonabschluß-Fete des HSV veredelt hatte. Soviel Gemeinsamkeit war man früher nicht gewohnt – andererseits, wenn es mit der Verbundenheit so weitergeht, werden die Vereine womöglich beantragen, das Lokalderby auf den letzten Spieltag zu legen, damit man anschließend zusammen feiern kann.

Ohnehin war es eine Saison, die neue Koalitionen gebar und Althergebrachtes in Frage stellen ließ – insbesondere am Millerntor. Dort wird alles professioneller und erstligakompatibler, eine Entwicklung, die sich zwar im wesentlichen noch nicht materiell manifestiert hat, aber stets spürbar war. Gleich zu Saisonbeginn gab es die erste Irritation, als Trainer Uli Maslo im aktuellen sport-studio bundesweit kundtat, er wäre „stolz darauf, Deutscher zu sein“. Das eigentlich Verwunderliche war jedoch nicht diese dahergeplapperte Tümelei, sondern die Reaktion des Vereins und seines Umfelds. Ein paar Protest-Faxe, ein wenig Gemecker beim nächsten Heimspiel, eine Erklärung des Coaches, der keinen Grund zu einer Entschuldigung sah – über den sportlichen Erfolg war die Sache schnell vergessen.

Erst als die Siege seltener wurden, Maslo nicht mehr unantastbar schien, wurde zum Rückrundenstart der Angriff auf den Übungsleiter gewagt. Der Übersteiger, empört wegen einiger „derber Vorfälle“ im spanischen Trainingslager, nahm sich den Trainer zur Brust und forderte in bekannter Manier: „Wähling muß bleiben, Maslo vertreiben!“ Doch daran dachte weder Präsident Heinz Papa Weisener, noch sein geschäftsführender Vize, Christian Hinzpeter. Auch das größte FC-Fanzine kehrte rasch zur Spieltagesordnungzurück und verzieh „Gott“ Maslo alsbald, was auch daran gelegen haben könnte, daß die Mannschaft eifrig Punkte sammelt. Folgen hatte die verbale Attacke nur für einen – Manager Wähling mußte gehen.

Das mögen einige bedauern, doch, der Pragmatik gehorchend, war keine andere Entscheidung denkbar. Schon länger hat man beim FC die Regeln des Geschäfts akzeptiert und sich schnell mit den Modalitäten vertraut gemacht. Unruhe gehört nicht zu den umsatzfördernden Maßnahmen und auch keine lautstark protestierenden Anhänger. Als Totenkopffahnenschwingende und mit FC-Merchandising-Produkten-ausstaffierte Masse, „Modefans“ schimpfen die Gegengeraden-Platzhirsche, sind diese dafür unabdingbar – wie soll man sonst den Mythos „des anderen Vereins“ aufrechterhalten?

Ob er das wirklich noch ist, spielt solange keine Rolle, wie das Image weiter existiert. Dortmund macht es ja vor, der Meister gilt trotz 100 Millionen Jahresumsatz als „bodenständiger“ Verein. Im kleinen wäre das auch für St. Pauli ein passendes Modell, wobei die vergangene Serie nur ein kurzer Testlauf war. Tina Turner wird deshalb trotzdem nicht bei der nächsten Fan-Party spielen – die alternativen Megaseller Bad Religion würden auch besser passen. C. Gerlach