Ein vages Angebot von Major an die IRA

■ Der britische Regierungschef äußert sich zu den Allparteiengesprächen

Belfast (taz) – Nun hat sich auch John Major ausführlich zum Thema Nordirland zu Wort gemeldet. Der britische Premierminister hat gestern auf Drängen der Dubliner Regierung, die Klarheit über die am 10. Juni beginnenden Allparteiengespräche wollte, einen Artikel in der Irish Times veröffentlicht. Darin bekräftigt er die Vorbedingung, daß die IRA den im Februar beendeten Waffenstillstand erneuern müsse, damit ihr politischer Flügel Sinn Féin am Runden Tisch Platz nehmen dürfe. Darüber hinaus geht Major jedoch auf verschiedene Punkte ein, die Sinn-Féin-Vizepräsident Martin McGuinness am Montag angesprochen hatte.

Major schreibt, daß „diese Verhandlungen ein ehrlicher und ernsthafter Versuch sind, zu einer umfassenden Lösung zu kommen, die sämtliche strittigen Themen behandelt und für alle Beteiligten akzeptabel ist“. McGuinness hatte gefordert, die Gespräche auf einen Zeitraum von sechs bis neun Monaten zu begrenzen. Bei Major heißt es dazu: „Die Tagesordnung ist offen. Alle Parteien werden bei den Verhandlungen gleich behandelt. Niemand kann gezwungen werden, gegen seinen Willen zuzustimmen. Der Ausgang der Gespräche ist nicht vorbestimmt. Niemand will diesen Prozeß in die Länge ziehen.“

Der strittigste Punkt ist die Herausgabe der Waffen. Die IRA hatte erklärt, daß das nicht in Frage käme, solange es keine politische Lösung des nordirischen Konflikts gebe. Umgekehrt hatten die unionistischen Parteien ihre Gesprächsbereitschaft mit Sinn Féin von der Ausmusterung der IRA- Waffen abhängig gemacht. Der ehemalige US-Senator George Mitchell und seine unabhängige Kommission hatten im Januar vorgeschlagen, die Waffenfrage von den Verhandlungen abzutrennen. Major äußert sich dazu nur sehr vage: „Die Ausmusterung muß zu Beginn der Gespräche angesprochen und eine Einigung erzielt werden, wie Mitchells Empfehlungen in Hinblick auf die Ausmusterung in die Tat umgesetzt werden können, ohne daß dadurch die Verhandlungen blockiert werden“, schreibt er in der Irish Times.

Sinn Féin hat zu Majors Artikel bisher keine Stellung bezogen. Sammy Wilson von der nordirischen Democratic Unionist Party Ian Paisleys nannte den britischen Regierungschef wegen seiner Äußerungen in der Frage der Entwaffnung der IRA eine „pathetische Knetmasse“.

Davon abgesehen waren die ersten Reaktionen in Nordirland gestern vorsichtig. Es sei der Artikel eines Buchhalters, sagte ein unabhängiger Lokalpolitiker zur taz. „Was die Leute wollen, sind konkrete Maßnahmen, zum Beispiel in bezug auf eine Polizeireform oder die Freilassung von Gefangenen“, sagte er. „Aber Major gibt sich als neutraler Außenstehender, der mit der ganzen Malaise nichts zu tun hat. In seinem Artikel steht kein Wort über die Gefangenen, die wegen Schlampereien bei forensischen Untersuchungen möglicherweise Opfer eines Justizirrtums geworden sind.“

Am Dienstag war herausgekommen, daß die Geräte in einem wissenschaftlichen Labor seit 1989 mit Sprengstoffspuren kontaminiert waren. Deshalb sind die Urteile gegen IRA-Gefangene, die einzig aufgrund forensischer Untersuchungen dieses Labors überführt wurden, sehr zweifelhaft. Es handelt sich dabei um rund ein Dutzend Männer. Der britische Innenminister Michael Howard, der bereits seit einem Monat über die Kontaminierung informiert ist, hat noch keine Einzelheiten bekanntgegeben. Ralf Sotscheck