: Ein Comeback und andere Wege zum Sport
■ Achtes Rolli-Tennisturnier in Reinbek: Technische Innovationen und Finanzprobleme
Nachdem er den Cross-Ball gerade noch erwischt hat, bleibt der Spieler plötzlich wie angewurzelt stehen – der Gegner hat keine Mühe, mit dem nächsten Schlag zu punkten. Des ersteren Rollstuhl hat sich im Begrenzungs-Netz verheddert – Bewegung unmöglich. „Verwirrungs-Taktik“, spottet der Vernetzte über sein Mißgeschick, ehe er zum nächsten Aufschlag fährt.
Wir sind im Sportpark Reinbek, wo 56 Spieler beim Turnier des Rollstuhl Sport-Club Hamburg die Bälle schlagen. Einige sind schon seit Jahren dabei, Dauergäste beim Turnier, das gestern seinen achten Geburtstag feierte. „Es gibt viele 16jährige Rollifahrer, die den Weg zum Sport einfach nicht finden“, bedauert Co-Organisator Alfred Hovestadt die mangelhafte Nachwuchssituation – und empfiehlt Reha-Tennis auch Menschen, die nicht auf einen Rollstuhl angewiesen sind, aber wegen Verletzungen nicht mehr bei den „Fußgängern“ spielen können. „Die Hemmschwelle vor dem Rollstuhl wird wohl noch einige Jahre anhalten“, ist er allerdings skeptisch.
Bei den neun- oder zehnjährigen Jungen, die abseits des Geschehens eine „Rallye“ durch die abgestellten Rollis veranstalten, ist von Hemmungen wenig zu spüren. Eher von Respekt, zumindest, als eines der Kids auf einen achteinhalb Kilo schweren Titan-Rolli stößt. „Das ist Schrameyers, der ist viel zu geil“, klärt ihn ein Kollege ehrfurchtsvoll auf.
Der 28jährige Kai Schrameyer, mit 14 an Knochenkrebs erkrankt und seitdem unterschenkelamputiert, ist so etwas wie der Comeback-Star. 1994 trat er als Weltranglisten-Erster zurück, um sich auf sein Jura-Studium zu konzentrieren. Nun, nach bestandenen Klausuren, versucht er, „langsam wieder reinzukommen“ – Reinbek ist sein zweites Turnier nach der zweijährigen Pause.
Schrameyer startet im Open, der hochwertigsten Kategorie. „Bei uns gibt es keine Schadens- sondern Leistungsklassen“, unterstreicht er, daß die Einteilung in Open, A- und B-Klasse nicht unbedingt vom Grad der physischen Beeinträchtigung abhängt: „Es gibt genug Beispiele von höheren Behinderungen, die durch mentale, taktische oder technische Fertigkeiten kompensiert werden können.“ Das Material gehört auch dazu. In den Pausen wird experimentiert, 24er und 26er-Räder getauscht, um ein neues Fahrgefühl zu testen, oder über Zahl und Plazierung der am Rolli angebrachten Stützräder philosophiert, die den Schwerpunkt verlagern oder der Sturzgefahr vorbeugen können.
Während von technischer Seite Innovationen hervorgebracht werden, sieht es in anderer Hinsicht ungünstiger für Reha-Tennis in Deutschland aus. Ganze drei der weit über 100 Weltranglisten-Turniere finden jährlich in der Bundesrepublik statt. Eine Frage des Geldes, hauptsächlich aber eine der Organisation. „Wenn wir 25 der weltbesten 100 Spieler holen wollten, bräuchten wir 20.000 Mark“, taxiert Hovestadt die Preisgeldkosten für ein hochkarätiges Einladungsturnier. In Reinbek werden 2.500 Mark ausgeschüttet.
Auch deshalb wünschen sich die Aktiven eine stärkere Kooperation mit dem Deutschen Tennis-Bund, um mehr Öffentlichkeit herstellen und so mehr Sponsoren erreichen zu können. Im Ausland, vor allem in den USA, ist die Situation günstiger – mit Dotierungen im fünfstelligen Dollarbereich.
Schrameyer, inzwischen auch mit Trikotsponsor, überlegt, noch ein Jahr dranzuhängen und sein Anwalts-Referendariat warten zu lassen. Gestern jedenfalls gelang ihm das Comeback . Gegen Torsten Purschke siegte er im Finale glatt mit zweimal 6:2 . Folke Havekost
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