Baby Neumann-Lesung

„Das Leben ist keine Party“, sagt Baby Neumann einem ziegenbärtigen Tekkniker, der ihn mit seinem Lycra-Shirt zu guter Laune überreden will. Und schon ist er der Lüge überführt: Sein Leben, nachzulesen in mittlerweile zwei Erzählbänden (Das erste Mal und Ganz was anderes!) gleicht haarklein den schönsten 30er-Jahre-Screwball-Komödien, mit ihren schnellen Dialogen, dem schrägen Witz und den haarsträubenden Situationen. Mit einem Unterschied: Baby Neumann sitzt mit beiden Backen im Hier und Jetzt, in den schwulen 90er Jahren, irgendwo zwischen Wuppertal und Wilmersdorf. Dabei stehen nicht die großen Wahrzeichen einer bestimmten Stadt wachsam über seinem Leben, sondern seine beiden „besten Freundinnen“ Karl und Lola. Und ihr Alltag ist vielgestaltig: Sollte Baby trotz seiner Neugier mal schlapp machen, sind Karl und Lola zur Stelle, prügeln sich mit Riesentransen in Miami oder lassen die Polyester-Schlüpfer hübsche Wander-Mormonen im Flokati verschwinden.

Und kulturell beflissen sind die drei! Von Hollywood über die Golden Girls bis hin zu Diana Ross lassen sie sich keinen Hochkultur-Aspekt entgehen. Ganz zu schweigen von den Kulturformen homosexueller Zeitvertreibe, die Baby sämtlich ausprobiert und beschreibt. Im Alltag war Baby Neumann bisher Kolumnist der eben eingestellten Monatszeitschrift magnus, und viele seiner Stories erschienen – wie Armistead Maupins Tales Of The City – zuerst portionsweise. Anders als bei Maupin stehen bei Baby Neumann die einzelnen Geschichten aber für sich, lauter kleine Aus- und Einblicke in die Schrillheiten schwulen Alltags, ein Kaleidoskop, das durch Babys Sprachwitz vom Schmunzeln zum Gelächter führt.

Publikumsscheu wie er nun einmal ist, läßt sich Baby bei Lesungen – wie heute – gern von Jo van Nelsen vertreten. Sein Witz ist aber trotzdem da.

Thomas Plaichinger

Lesung, heute, 20 Uhr, Buchhandlung Männerschwarm, Neuer Pferdemarkt 32