„Grundsätzlich finde ich alles toll!“

■ Philosophie, Handwerk, Wurst, Medaillen, Biowelle und wer ist letztlich schuld an BSE? Ein Gespräch mit dem Neuköllner Metzgermeister Wolfgang Trieselmann

„In der Tat spricht man über Musik, Kunst und hohe Lyrik. Dabei wäre es hundertmillionenmal interessanter, einen Metzger fachkundig über Blutwurst reden zu hören“, schreibt Maupassant. Deshalb wird in Frankreich alljährlich der „Grand Prix d'Excellence“, ein internationaler Wettbewerb um die beste Blutwurst, ausgeschrieben.

Der Neuköllner Metzgermeister Wolfgang Trieselmann holte sich dieses Jahr zum dritten Mal in Folge die Goldmedaille für die beste Blutwurst in Deutschland. Er wollte sich auch gern dazu befragen lassen und lud zu diesem Zwecke in einen kleinen gemütlichen Verhau im Hinterhaus seines Metzgereigeschäfts am Karl- Marx-Platz.

Während des Gesprächs machten die Verkäuferinnen ein hübsches Wurstpaket zum Kosten zurecht; von einer Wand im Büro schaute wohlgefällig Großvater Trieselmann auf seinen Enkel herab. Jener war in den zwanziger und dreißiger Jahren eine stadtbekannte Kapazität für Fleisch und Wurstwaren in Berlin.

taz: Herr Trieselmann, wie wurden Sie zum Blutwurstexperten?

Wolfgang Trieselmann: Die Blutwurst ist eine traditionelle Wurstsorte, die aber vom modernen Verbrauchergeschmack etwas abweicht, denn sie ist nicht ganz mager. Der Fettgehalt liegt bei 35 Prozent, was zwar auch nicht besonders fett ist, denn der Hauptbestandteil ist frisches Schweineblut. Aber es gibt magerere Wurstsorten. Dieses Geschäft am Karl- Marx-Platz hatte jedoch schon immer eine Blutwursttradition. Mein Vorgänger, der legendäre Hans Joachim Gleich, hat sich an diesem Wettbewerb schon zwanzigmal beteiligt, und als ich vor fünf Jahren die Fleischerei übernommen habe, habe ich diese Tradition fortgeführt.

Und wo die Blutwurst schmeckt, kann auch die Salami nicht schlecht sein?

In Ballungszentren wie Berlin sind Handwerksbetriebe rar. Sie sehen zwar noch vereinzelt Metzgereien, aber dahinter sind keine Produktionsstätten mehr. Wir gehören zu den wenigen, die noch selber herstellen. Gerade Salami ist eine sehr komplizierte Wurst, aber wir machen sie.

Liefern Sie auch an andere Fleischereien?

Nein, gar nicht mehr. Ich konzentriere mich nur noch auf meine Firma. Es kommen zwar immer wieder Anfragen von Metzgereien, die nicht selber produzieren, aber ich habe kein Interesse.

Kein Expansionsdrang?

Nee, überhaupt nicht. Dieser Umsatzwahn, diese Umsatzgeilheit, die den Menschen ins Gesicht geschrieben steht, bringt ganz andere Schwierigkeiten mit sich. Wenn ich zum Beispiel sehr viele Bestellungen hätte, könnte ich in den Notfall kommen, auf dem Berliner Markt dazukaufen zu müssen, wo ich nicht genau weiß, woher das Fleisch kommt. Dann müßte ich vielleicht meine Belegschaft erweitern und, wenn plötzlich eine der belieferten Fleischereien Konkurs anmeldet, wieder einen Mitarbeiter entlassen und so weiter.

Diese Bewegung, die in der Marktwirtschaft gang und gäbe ist, will ich gar nicht mitmachen. Ich muß aber zugeben, daß ich anfangs in diesem System mitgemacht habe, denn mein Vorgänger lieferte an viele Metzgereien, und ich habe das erst mal übernommen. Aber mit der Zeit habe ich meine eigene Philosophie entwickelt und wollte mich diesem Wettbewerb nicht mehr unterwerfen.

Sie beschäftigen viele ältere Leute. Ist das Zufall?

Bestimmt nicht! Ich bin froh, sie zu haben. Denn bei diesen althergebrachten Handwerksabläufen brauche ich Mitarbeiter, die das auch können. Die 30jährigen können oft nichts mehr mit der Hand machen.

Wieso?

Weil es keine eigentlichen Lehrbetriebe mehr gibt, sondern nur noch Großkonzerne, wo man an Maschinen lernt. Deswegen kommen meine zwei Auszubildenden an Sachen ran, die woanders nicht mehr vermittelt werden.

Was halten Sie von der Biofleischwelle?

Grundsätzlich finde ich alles toll. Ich finde toll, wenn einer sich vegetarisch ernährt, und ich finde toll, wenn einer gar nichts ißt. Mein Fleisch kommt aus kontrollierter bäuerlicher Aufzucht. Vielleicht geht die Biogeschichte noch weiter, das weiß ich nicht. Aber gut, damit wird das Verlangen einer gewissen Käuferklientel abgedeckt, und das ist doch in Ordnung.

BSE!

Natürlich, natürlich. Der erste, der sich darüber aufregt, bin ich selber. Da ich mein Fleisch hauptsächlich aus Süddeutschland beziehe, kann ich eine Menge Eventualitäten ausschließen. Aber die breite Käuferschicht hat keine Alternative. Sie weicht einen Monat auf was anderes aus, kommt dann aber wieder zurück, und das ist das Schreckliche.

Wie soll denn der ganze Fleischkonsum weitergehen?

Es ist schon ein Fortschritt, daß der Rinderwahnsinn derart niedergemacht wird. Denn so ein Skandal geht in alle Absatzmärkte rein, bis zu den Bauern, die das Tiermehl verfüttert haben. Die müssen umsteigen, weil der Druck zu groß ist. Mir persönlich macht es viel Freude, gute Sachen herzustellen, aber es ist auch schwierig.

Warum?

Weil der Verbraucher verunsichert ist und nicht mehr differenzieren kann. Er kauft sich was für eine Mark, was woanders immer fünf Mark kostet. Und eines Tages ist das Geschrei groß, weil nicht das drin ist, was er erwartet hat. Wie soll's denn auch? Der Mensch selber, nicht der böse Bauer und nicht der böse Futtermittelhersteller ist an BSE und anderen Fleischskandalen schuld. Interview: Katrin Schings