: Verwaltungsreform ohne Wirtschaftsprofis
■ Senat will Verträge mit Unternehmensberatern zur Verwaltungsreform nicht verlängern. Bezirke allein gelassen
Eberhard Diepgen hat die Bezirksbürgermeister für heute ins Rote Rathaus bestellt, um schlechte Nachrichten mitzuteilen. Die Bezirksfürsten sollen die Reform ihrer Verwaltungen ab sofort ohne den Beistand professioneller Unternehmensberater vorantreiben. Damit steht das Jahrhundertprojekt Verwaltungsreform ohne seine wichtigsten Zugpferde da. Das Land hatte 1994 die größte Behördenperestroika der ganzen Bundesrepublik in Gang gesetzt: Das Ziel ist eine bürgernahe und kostengünstige Berliner Bürokratie.
Es werde keine „pauschale Verlängerung des Gesamtauftrages“ für die vier Unternehmensberatungen Arthur D. Little, Price Waterhouse, KPMG und KGSt consult geben, erfuhr die taz aus der Senatskanzlei. Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) habe es angesichts der Haushaltslage abgelehnt, die Consulting-Firmen aus ihrem Topf zu bezahlen. Ressorts und Bezirke können spezielle Beratungsleistungen weiter anfordern – allerdings nur, wenn sie diese aus ihrem Etat bezahlen.
Für den ersten Auftrag, der von 1994 bis April diesen Jahres lief, hatten die Consulting-Unternehmen 20 Millionen Mark erhalten. Sie hatten im Gegenzug den Reformfahrplan entworfen und ein umfangreiches Trainingsprogramm für Staatsdiener durchgeführt. Die Reform soll aus Amtsstuben moderne Dienstleistungsunternehmen machen. Eines der wichtigsten Teilprojekte, die Einführung einer Kostenrechnung, wird gerade begonnen.
Die Ausladung der Unternehmensberatungen gilt als Rückschlag für das international beachtete Reformprojekt Berlins. „Wir brauchen eine treibende Kraft“, sagte der Weißenseer Verwaltungschef und entschiedene Reformer Norbert Przesang, „nur aus eigenem Antrieb kommt die Verwaltung nicht voran.“ Die hinauskomplimentierten Consultants selbst hüllen sich in diplomatische Formeln: Die Unterstützung des Reformprozesses habe ohnehin in anderer Form fortgesetzt werden sollen, meinte Ralf Baron von Arthur D. Little: „Die Verwaltung ist von ihrer Kompetenz her ausgezeichnet in der Lage, die Reform alleine weiterzuführen.“
Das aber gilt allenfalls für die Bezirke, allen voran Weißensee, Köpenick, Wilmersdorf, Lichtenberg und Schöneberg. Doch während die Bezirke den Kulturwandel von Bürokratie zu Bürgerfreundlichkeit entschieden angingen, mauerten die Senatsressorts. So kündigten die federführenden SenatorInnen Fugmann-Heesing und Schönbohm kürzlich an, „bald auch weitere Senatsverwaltungen [in die Reform, cif] einzubeziehen“ – zwei Jahre nachdem der Startschuß für das Projekt gefallen ist. Die Senatsverwaltungen für Wirtschaft, Justiz und Arbeit sind von der Verwaltungsreform noch gänzlich unberührt, bei den anderen Senatsressorts sieht es kaum besser aus.
Die Absage an die Unternehmensberater ist auch ein Sieg der Amtsjuristen, wenn auch durch die Hintertür der Finanznot. Wie berichtet waren die Berliner Rechtsamtsleiter die Consultants heftig angegangen. Die Sprache der Berater passe nicht in die deutsche Verwaltungstradition, und die „Firmen“, wie sie spöttisch genannt werden, griffen gar die Verfassung an. Die Kritik sollte auch die Reformer in der Verwaltung treffen, die mit dem Abtritt der Berater wichtige Mitstreiter verlieren. „Die Reform könnte ins Trudeln kommen“, befürchtet der bündnisgrüne Haushaltsexperte Arnold Krause, „das wäre katastrophal für die Stadt.“
Im Senat feilt man nun offenbar an einem neuen Konzept, damit die begonnene Reorganisation der Verwaltung nicht versackt. Wie es heißt, soll das lange unter Ausschluß der Öffentlichkeit gefahrene Projekt denen nähergebracht werden, die davon profitieren sollen: den BürgerInnen. Christian Füller
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