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Der Spaß an der inhaltsleeren Debatte

■ Bundestag diskutiert erstmals das Sparpaket der Bundesregierung. SPD und CDU brillieren durch Rüpeleien. Norbert Blüm appelliert an den Masochismus der Bevölkerung

Bonn (taz) – Die Rüpeleien kamen nicht zu kurz, gestern, bei der ersten Lesung des Bundestages zum sogenannten Sparpaket der Regierung. Etwa, wenn Arbeitminister Norbert Blüm den SPD- Fraktionsvize Rudolf Dressler einen „Stümper“ nannte oder SPD- Fraktionschef Rudolf Scharping sich an seinen CDU-Kontrahenten Wolfgang Schäuble wandte und meinte: „Ihnen etwas klarmachen zu wollen, ist wie dem Ochs ins Ohr gepetzt.“

Staatsmannsgleich eröffnete Scharping zunächst seine Rede. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, zitierte er Artikel 1 des Grundgesetzes, um anschließend festzustellen, daß der Wertekonsens des Grundgesetzes durch das Sparpaket immer mehr beschädigt werde. Der CDU warf er vor, ein „Bündnis gegen Arbeit“ zu schmieden und den Charakter als Volkspartei aufzugeben. Zu guter Letzt setzte er noch einen beifallsumtosten Schlußakzent: „Hören Sie endlich auf, auf dem Sonnendeck ein paar weniger Champagner auszuschenken und die anderen zum Schuften in den Maschinenraum zu schicken.“

Sein SPD-Fraktionsvize Rudolf Dressler kritisierte wenig später die CDU für Sprachschöpfungen „geradezu Orwellschen Ausmaßes“. Was die Bundesregierung als Sparpaket vorlege, heiße nur so. In Wahrheit sei es ein Programm „zur Einleitung einer deflationären Wirtschaftsentwicklung und zur Stabilisierung sozialer Einseitigkeit und Ungerechtigkeit“. Die Botschaft der Sozialdemokraten war klar: Die SPD wird keine Maßnahme des Sparpaketes unterstützen.

Das verkündeten auch die Grünen. Ihre Fraktionssprecherin Kerstin Müller konnte allerdings keine Lacher verbuchen. Die Kritik an der Koalition, „konsequente Politik der Verteilung von oben nach unten“ zu betreiben, hatten zuvor schon SPD-Redner angebracht. Was Scharping und Dressler versäumten, holte sie nach. Sie präsentierte eigene Vorschläge: für die Vermögenssteuer, für eine höhere Erbschaftssteuer, für eine radikale Abschaffung von Steuerprivilegien. für einen höheren Spitzensteuersatz.

Doch den Bündnisgrünen kommt innerhalb der parlamentarischen Debatte kaum ein Gewicht bei. Und so verlegte sich der sozialpolitische Sprecher der CDU, Julius Louven, mit seiner Rede ganz auf die SPD: „Ich hatte mich zu dieser späten Stunde darauf vorbereitet, auf Vorschläge der SPD einzugehen. Aber da kam Null“, lautete sein Fazit. Gleiches hatte zuvor schon FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle moniert.

Auch den Rednern der Koalition ging es nicht um Inhalte, sondern um eigene Späßchen. Gröhlendes Gelächter erntete etwa der Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU Fraktion, Michael Glos, mit seiner Feststellung: „Hören Sie auf die Leute im Land. Immerhin sind achtzig Prozent dafür, daß wir uns unsere sozialen Standards in Zukunft nicht mehr leisten können.“

Auch Arbeitsminister Norbert Blüm beschränkte sich darauf, die SPD zu attackieren, etwa mit dem ernstgemeinten Vorwurf, „Sie haben noch keinen einzigen unpopulären Vorschlag gemacht“. Zugleich appellierte auch er an den Masochismus der Bevölkerung: „Wir müssen zurückdrehen und das geht nicht ohne Schmerzen.“ Markus Franz

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