8,80 Mark für einen guten Rat

■ Hebammen-Kongreß in Oslo: Helfen in der armen Welt, doch auch in der Hamburger Geburtshilfe steht nicht alles zum Besten

Zwischen Saris, Kimonos und Dirndln strahlt heute in Oslo auch eine Vierländertracht: Jule Friedrich, 42jährige Hebamme aus Hamburg, ist eine der sechs deutschen Delegierten auf dem 24. Internationalen Hebammenkongreß. Nach der folkloristisch-multikulturellen Eröffnung geht es allerdings zur Sache. „Besonders die Programme zur Verbesserung der Geburtshilfe in armen Ländern sind mir wichtig“, sagt Jule Friedrich.

Doch auch zu Hause steht nicht alles zum Besten. 311 Hebammen sind beim Hamburger Landesverband des Bundes Deutscher Hebammen (BDH) registriert – und haben viel zu kritisieren. „Gemessen an den Belastungen“, so die Hamburger BDH-Sprecherin Gabriele Langer, „ist die Bezahlung ein Witz.“ Für eine umfassende Beratung einer Schwangeren bekommt eine Hebamme 8,80 Mark. Die Betreuung einer Hausgeburt wird in der Gebührensatzung pauschal mit 10 Stunden veranschlagt – und mit je 30 Mark vergütet. Derzeit verhandelt der BDH mit dem Bundesgesundheitsministerium um einen Stundensatz von 70 Mark.

Übler als die Bezahlung sind aber die Arbeitsbedingungen. „In den 15 geburtshilflichen Abteilungen in Hamburg werden Hebammen ständig entmündigt“, beklagt Gabriele Langer. Faktisch arbeiteten Hebammen und Gynäkologen kaum zusammen. Ihre Sprecher-Kollegin Katharina Hönck ergänzt: „Eine ganzheitliche Betreuung der Schwangeren wird immer seltener. Die natürliche Zusammenarbeit von Hebamme und Schwangerer vor, während und nach der Geburt geht im Klinikbetrieb oft verloren.“

Das erfahren Hebammen meist sehr früh. Katrin Teichmann hat gerade ihre Ausbildung an der Frauenklinik Finkenau abgeschlossen. „Statt den Frauen Selbstvertrauen und Zuversicht zu vermitteln, wird ihnen oft das Gefühl gegeben, die Geburt wäre etwas wie eine Krankheit“, kritisiert sie. Entmutigen läßt sich die 25jährige nicht. Seit Anfang Mai arbeitet sie – in der Finkenau.

Natürliche, ganzheitliche Geburtshilfe in Hamburg? In den Kliniken, so Gabriele Langer, herrsche leider keine Vielfalt – „die Krankenhäuser unterscheiden sich alle nicht besonders.“ Doch auch Selbstkritik ist zu hören. „Die Basis im Hamburger Verband ist im bundesweiten Vergleich nicht die aktivste“, findet Gabriele Langer. Zu Versammlungen kamen im Schnitt 20 der 311 Mitglieder. Aktionen zum internationalen Hebammentag Anfang Mai kamen nicht über die Wehen hinaus: Zu wenige Hebammen fanden die Zeit für ehrenamtliches Engagement. S. Netzebandt