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Abschiebehaft als Sippenhaft

■ Weil der Bruder keinen Paßersatz besorgte, sitzt ein Flüchtling aus Indien seit zehn Monaten in Abschiebehaft

Hannover (taz) – Kurzerhand Sippenhaft haben der Landkreis Goslar und zwei Gerichte gegen den indischen Flüchtling Rasphal Singh verhängt. Nur weil sein in der Bundesrepublik lebender Bruder dem Inder keinen Paß besorgen wollte, wurde die Abschiebehaft gegen Rasphal Singh verlängert. Der Flüchtling aus Indien sitzt seit mehr als zehn Monaten in der Justizvollzugsanstalt Wolfenbüttel, obwohl er nie versucht hat, sich einer Abschiebung zu entziehen oder etwa unterzutauchen.

Festgenommen wurde Rasphal Singh am 6. Juli letzten Jahres, als er in der Ausländerbehörde des Landkreises Goslar seine Aufenthaltsgestattung verlängern lassen wollte. Sein Asylantrag war damals seit vier Wochen rechtskräftig ablehnt. Für eine Abschiebung des ohne Papiere eingereisten Flüchtlings fehlte dem Kreis aber der notwendige Paßersatz. Daß sich Rasphal Singh aus der Haft heraus von vornherein um Ersatzpapiere bemüht hat, bestreitet auch der Landkreis Goslar nicht. „Wir stellen keineswegs in Abrede, daß der Flüchtling mehrfach an das indische Konsulat in Hamburg geschrieben hat“, erklärte gestern der Sprecher des Landkreises.

Die eigenen Bemühungen des Flüchtlings reichten der Goslarer Ausländerbehörde allerdings nicht aus: Der Bruder von Rasphal Singh sollte beim Konsulat den Paßersatz beschaffen, was dieser aber weder konnte noch wollte. Als der Flüchtling über seinen Anwalt nach sechs Monaten die Entlassung aus der Abschiebehaft beantragte, wurde dann der Bruder kurzerhand gerichtlich zum Haftgrund erklärt. Auf Antrag des Landkreises Goslar entschied das Amtsgericht Seesen: „Da der Betroffene Angehörige in der Bundesrepublik hat, wäre er über diese in der Lage, die Ersatzpapiere selbst zu beschaffen.“ Daher sei „die Verzögerung der Abschiebung ausschließlich von dem Betroffenen selbst zu vertreten“ und die Abschiebehaft zu verlängern.

Eine Kombination aus Sippen- und rechtswidriger Beugehaft nennt der niedersächsische Flüchtlingsrat diese Entscheidung, die vor einigen Wochen auch vom Landgericht Braunschweig bestätigt wurde. Dabei kann der Flüchtlingsrat auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Braunschweig verweisen, nach der „Abschiebehaft als Beugehaft“, um die Mitwirkung bei der Paßbeschaffung zu erzwingen, „nicht statthaft“ ist. Daß durch Abschiebehaft nun auch Angehörige zur Paßbeschaffung gezwungen werden sollten, sei allerdings einmalig. Eine Haftentlassung von Rasphal Singh kommt für den Landkreis Goslar weiterhin nicht in Frage. Dort erwartet man nun, daß die Ersatzpapiere des indischen Konsulats bald vorliegen. Jürgen Voges

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