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Großer Lauschangriff gegen Anwaltskanzlei

■ Anwalt der Grams-Eltern legt Indizien für Rundumobservation vor

Berlin (taz) – Mindestens fünfzehn Monate war die Kanzlei der Wiesbadener Rechtsanwälte Andreas Groß und Alexander Kutsch offenbar Ziel einer aufwendigen Lauschaktion des Bundeskriminalamts. Seit der „automatisierte Horch- und Observationsposten“ in einem gegenüberliegenden Haus im vergangenen Herbst nach einem Hinweis überstürzt geräumt wurde, versuchen die Anwälte vergeblich, bei den Behörden eine offizielle Information über die Gründe und die Rechtsgrundlage für den Großen Lauschangriff zu erlangen. Die Anwälte sind überzeugt, daß zu ihrer Rundumbeschattung auch eine „direkte Telefonüberwachung“ gehörte.

Groß vertritt unter anderem die Eltern des in Bad Kleinen getöteten früheren RAF-Mitglieds Wolfgang Grams bei deren Bemühen, die ungeklärten Todesumstände ihres Sohnes aufzuklären. In den frühen neunziger Jahren lief gegen den Anwalt ein Ermittlungsverfahren wegen angeblicher Unterstützung der RAF, das später eingestellt wurde.

Mitte Mai waren die RAF- Fahnder wieder da. Neben der Wohnung der 33jährigen Wiesbadenerin Silja F. durchsuchten Beamte der Bundesanwaltschaft und des Bundeskriminalamts (BKA) das Sekretariat des Anwaltsbüros, wo die Rechtsanwaltsgehilfin stundenweise arbeitet.

Die Karlsruher Staatsanwälte ermitteln gegen Silja F. wegen angeblicher Kontakte zu Mitgliedern der Rote Armee Fraktion, insbesondere zu der Ende Juni 1993 in Bad Kleinen festgenommenen Birgit Hogefeld. Die Sprecherin der Bundesanwaltschaft, Eva Schübel, bestritt gestern den „Lauschangriff“ auf das Wiesbadener Anwaltsbüro. Das Ermittlungsverfahren richte sich allein gegen die Mitarbeiterin der Kanzlei.

Dagegen sprechen die Beobachtungen der Anwälte. Sie hatten im vergangenen November die Räumung des Observationspostens auf der gegenüberliegenden Straßenseite verfolgt. Später habe sich herausgestellt, daß das Kennzeichen des Fahrzeugs, mit dem der Abtransport erfolgte, „bei der zuständigen Zulassungsstelle für das BKA reserviert“ sei. Außerdem habe nach eigenen Nachforschungen der Anwälte ein Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs sowohl einen Beschluß zur Telefonüberwachung als auch zum „Einsatz technischer Mittel“ erlassen. Darüber seien die Betroffenen bis heute nicht unterrichtet worden, wie es das Gesetz nach Abschluß der Ermittlungen vorschreibt.

Gegen ihre Mitarbeiterin allein könnten sich die Aktivitäten schon deshalb nicht richten, weil diese sich in der fraglichen Zeit acht Monate lang in Australien aufgehalten habe, sagte Groß. Gerd Rosenkranz

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