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Oberrealooptimisten- traumtänzer

■ betr.: „Öko-Optimismus“ (Maxei ner/Miersch), taz vom 20. 5. 96, „Dolchstoß ins grüne Auge“ (Nenning), taz vom 23. 5. 96

Auch wenn Herr Nenning unnachahmlich ist und recht hat, läßt sich doch anfügen, daß sich eine interministerielle Arbeitsgruppe zusammen mit Industrielobbyisten aus CDU/CSU und FDP gerade anschickt, der Umweltbewegung den endgültigen Todesstoß zu versetzen, indem sie die bisherigen Mitwirkungsrechte an umweltrelevanten Planungsprojekten so zusammenstreichen und auch gleich noch die Klagerechte so beschränken wollen, daß unter dem Vorwand von „Verschlankung“ und „Vereinfachung“ alle umweltzerstörenden Großprojekte (gentechnische Versuche, Müllverbrennungsanlagen, Autobahnen und atomtechnische Anlagen) innerhalb kürzester Zeit genehmigt und gebaut werden! Und keiner merkt es, da die Umweltbewegung auch noch durch das Gesülze von Maxeiner und Miersch eingelullt wird.

Unbemerkt von der Öffentlichkeit macht sich derzeit auch der BUND, bisher Deutschlands bedeutendster Umweltverband, auf die von der Industrie ausgelegte Leimrute. In der neuesten Ausgabe der Verbandszeitschrift darf ein Großer der Mineralfaserindustrie für seine menschenschädigenden Fasern werben, weil sie doch aus „Altglas“ sind – abgesehen vom bedenklichen Leim. Auch bei der Natur hat es so angefangen – aber ich habe Hoffnung, daß die Umweltbewegung sich noch aufrappelt und den Geschäftemachern beim BUND das Handwerk legt, bevor sich der BUND selbst zerlegt. Martin Primbs, Straubing

Da schreiben zwei Journalisten ein Buch und beklagen die Untergangsszenarien der Umweltbewegung, ohne mit sich selbst kritisch ins Gericht zu gehen, nämlich ohne einzugestehen, daß speziell ihre eigene Zunft ohne diese Untergangsszenarien der Umweltbewegung nie soviel Aufmerksamkeit gewidmet hätte.

Ich glaube nicht, daß in der Umweltbewegung jemand die Katastrophe als zwingende Entwicklung je angesehen hat – das würde wahrscheinlich unfähig zu weiterer politischer Arbeit machen –, sondern daß sie zum einen immer nur eine Metapher für das zerstörerische Potential unserer Lebens- und Wirtschaftsweise benutzt wurde, zum anderen als Kontrapunkt zur ignoranten, lange vorherrschenden Haltung des „Weiter so!“.

Weiter denke ich auch nicht, daß irgend jemand ernsthaft die Erfolge der Umweltbewegungen in den westlichen Industriestaaten bestreitet. Nur sind dies zu einem großen Teil recht zweifelhafte Erfolge, da zum einen auf technologische Lösungen gebaut wurde und wird, ohne an unserer Lebensweise etwas zu ändern, zum anderen viele Risiken in möglichst weit entfernte Länder ausgelagert wurden, also dahin, wo dann unter anderem unseretwegen „völlig verseuchtes Trinkwasser und total verdreckte Luft“ (Maxeiner/Miersch) entstehen.

Und global ist kein einziges der ernsthaften Probleme, Rohstoffhaushalt, Trinkwasser, Atommüll, Luftreinhaltung, soziale Gerechtigkeit (dies ist auch ein ökologisches Problem!) etc. gelöst. Aber Maxeiner/Miersch ziehen sich ja nach dem „lokalen Handeln“ auf das lokale Denken zurück. Gegen wen richten sich Maxeiner/ Miersch nun? Wohl gegen die „Spinner“ in den ehemals eigenen Reihen, die sie daran erinnern, daß sie sich inzwischen ganz gut in dieser Gesellschaft arrangiert haben und eigentlich gerne in Ruhe gelassen werden wollen? Michael Jürgensen, Hamburg

Vielen Dank an Günther Nenning für seine deutlichen Worte zur Wichtigkeit der Ökologiebewegung und zu seiner Systemkritik. Er hat sehr genau festgestellt, um was es sich bei Maxeiner/Miersch handelt. Es sind eindeutige Überläufer in das Weltzerstörerlager. So naiv und einfältig wie M & M sind zum Glück nur wenige Ökobewegte. Nenning weist auf die zentralen Probleme dieser vom Kapitalismus entzweiten Gesellschaft hin. Weder im Energie-, Verkehrs- und Genbereich noch im Zusammenleben der Menschen sind global auch nur ansatzweise wirklich positive Entwicklungen sichtbar.

Die Oberrealooptimistentraumtänzer M & M sollten sich bei Kohl für das Zukunftsministerium bewerben. Von da aus können sie dann die Auflösung aller BIs im Lande fordern, damit so aufwendige Atommülltransporte nach Gorleben der Vergangenheit angehören und die so sicheren Castorbehälter auf die Keller der Republik verteilt werden können. Damit wäre ein weiteres, das atomare Endlagerproblem, frei nach M & M ganz optimistisch gelöst. Wolfgang Wedel, Nürnberg

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