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„Ein Ausgehverbot ab 21 Uhr“

■ Um der steigenden Jugendkriminalität Herr zu werden, will der CSU-Politiker Norbert Geis Jugendliche von der Straße verbannen

taz: Der amerikanische Präsident Bill Clinton will zur Bekämpfung der Jugendkriminalität in allen Städten ein nächtliches Ausgehverbot für Jugendliche unter 17 Jahren verhängen. Sie wollen das auch in Deutschland einführen. Warum?

Norbert Geis: An erster Stelle steht natürlich die Prävention von Jugendkriminalität. Wenn die Kriminalität aber weiterhin steigt, muß man sich neue Mittel und Wege überlegen, um sie in den Griff zu bekommen. Dazu gehört auch die Überlegung, ob nicht ein Ausgehverbot auf öffentlichen Straßen und Plätzen sinnvoll wäre.

In sieben Städten der USA gilt das Ausgehverbot bereits von September bis Mai zwischen 20 Uhr und 6 Uhr morgens und in den Sommermonaten ab 21 Uhr.

Die Verhältnisse sind nicht zu vergleichen. Bei uns ist das Problem der Jugendkriminalität noch nicht ganz so drängend. Ich würde daher vorschlagen, das Ausgehverbot auf 21 Uhr im Winter und auf 22 Uhr im Sommer zu beschränken.

Hat es tatsächlich einen Einfluß auf die Kriminalität, wenn die Jugendlichen nachts nicht mehr auf den Straßen sein dürfen?

In New Orleans, wo die Regelung gilt, soll die Jugendkriminalität um die Hälfte zurückgegangen sein. Wenn die Jugendlichen nicht mehr ohne Aufsicht durch die Straßen streifen, werden sie nicht mehr so schnell straffällig. Jugendkriminalität geschieht schließlich im Verborgenen, im Schutz der Dunkelheit.

Was würde mit den Jugendlichen geschehen, die das Ausgehverbot übertreten?

Man darf jedenfalls nicht mit dem Gesetzeshammer kommen. In Amerika gibt es Sammelstellen, wo die Eltern ihre Kinder abholen können, die aufgegriffen worden sind.

Konsequenterweise müßte mehrfaches Übertreten des Ausgehverbotes bestraft werden. Würden die Jugendlichen nicht gerade dadurch kriminalisiert?

Dazu darf es natürlich nicht kommen. Ich weiß nicht, ob eine Bestrafung praktikabel ist.

Was würden die Jugendlichen in Ostdeutschland wohl sagen, wenn sie sieben Jahre nach dem Mauerfall plötzlich nicht mehr nachts auf die Straßen dürften?

Das wird wohl tatsächlich schwer durchführbar sein in Ostdeutschland. In Berlin wäre es aber schon sinnvoll, anders als in kleinen Orten, wo sich das Problem der Jugendkriminalität nicht stellt.

Ob die Kreuzberger sich wohl ein Ausgehverbot bieten lassen?

In Kreuzberg geht's auch nicht. Da würde wohl eher das Gegenteil erreicht.

Welchen Sinn macht ihr Vorschlag überhaupt, wenn er gar nicht praktikabel ist?

Die Jugendkriminalität soll 1995 um 130 Prozent gegenüber 1994 gestiegen sein. Das kann so nicht weitergehen. Es kommt daher darauf an, das Problem der Jugendkriminalität in den Vordergrund zu stellen.

Wäre da nicht sinnvoller, den Ansatz von Bundespräsident Roman Herzog zu folgen. Er hat davor gewarnt, bei der Jugendhilfe Mittel zu kürzen?

Ich bin mit dem Bundespräsidenten einer Meinung. Das Präventive muß im Vordergrund stehen. Wir müssen starke gesellschaftliche Normen aufbauen, die von alleine wirken, so daß wir mit weniger Polizei auskommen. Es muß wieder eine Selbstverständlichkeit werden, daß man fremdes Eigentum in Ruhe läßt. Wir müßten eine große Offensive starten, daß die Vereinszugehörigkeit gestärkt wird. Des weiteren müssen Lehrstellen gefördert werden. Aber auf diesem Gebiet kommt man schnell ins Schwafeln. Interview: Markus Franz

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