Hundert-Zimmerwohnung mit einer Katze als Haushaltsvorstand

■ Mikrozensus löst heftige Debatte über die Freiwilligkeit von staatlichen BürgerInnenbefragungen aus

Der Datendurst der BefragerInnen ist kaum zu stillen: Auf 28 engbedruckten Seiten wollen die Statistikämter alles über Einkommen und Arbeitsplatz, Heiratsdatum und Haushaltsgröße, Kindersegen und Krankenkasse der Befragten wissen - und das vier Jahre hintereinander. Und wem die amtliche Ausforschung zu intim ist, muß zahlen: 250 Mark zum ersten, 750 Mark zum zweiten, 1000 Mark plus Gebühren zum dritten kostet die Weigerung, Angaben zur Person und zum eigenen Lebensumfeld zu machen. Pro Jahr, versteht sich.

Der aktuelle Mikrozensus, kleiner Bruder der hoch umstrittenen Volkszählung, läßt die Telephone der Datenschutzbeauftragten nicht stillstehen. 350 000 bundesrepublikanische Haushalte, 8.600 davon in Hamburg, werden jährlich von den InterviewInnen zur Brust genommen, um „ein zuverlässiges Bild der Lebensverhältnisse in unserem Land zu erhalten“. Grundlegende Daten über die Struktur der Bevölkerung, die Entwicklung des Arbeitsmarktes und die Art der Erwerbsbeteiligung im gesamten Bundesgebiet sollen so ermittelt werden - doch neben brauchbaren Auskünften sammeln die Statistik-Erheber auch jede Menge Datenschrott ein.

Denn während die europäischen Nachbarn, die von ihren BürgerInnen ebenfalls die Familien-, Berufs-, und Wohndaten abfragen, Auskunftsunwillige zum Nulltarif aus der Befragung entlassen, behaupten bundesdeutsche StatistikerInnen, daß sie nur mit massiven Zwangsgeldandrohungen an die persönlichen Daten herankommen. Sven Wohlfahrt, Referatsleiter des Hamburger Statistikamtes rechtfertigt die Zwangsgelder etwa damit, daß es eine Probe auf Freiwilligenbasis bereits gegeben habe. Dabei seien jedoch weit mehr Erhebungsbögen mit Falsch-Informationen gespickt worden als beim üblichen Drohverfahren.

Und rund 40 Prozent aller Befragten, so die offizielle Prognose, würden ohne Zwang gar keine Auskünfte geben. Beweisbar ist das nicht: In den USA, wo die Beantwortung ähnlicher Befragungen freiwillig ist, liegt die Boykottquote weit unter fünf Prozent.

Die Folge der Zwangserhebung: Wer unter Drohungen zur Antwort gezwungen ist, wird selten darauf achten, die Fragebögen besonders sorgfältig auszufüllen. Schon bei der Volkszählung 1987 hatten die Statistik-Ämter mit dem weichen Schummel-Boykott zu kämpfen: Katzen wurden als Haushaltsmitglieder deklariert, 20 Quadratmeter-Wohnungen verfügten über mehr als 100 Zimmer, sagenhafte 80 Kilometer Wegstrecke zum Arbeitsplatz wurden täglich zu Fuß bewältigt.

Informationen über andere Personengruppen fehlen ganz: Denn wer obdachlos oder aus anderen Gründen nicht registriert ist, fällt ganz durch das Erfassungsraster.

Ein anderer Kritikpunkt: Zwar wird allen Befragten versprochen, daß persönliche Daten nur anonymisiert weitergegeben werden, doch die behördlichen Zuständigkeiten provozieren geradezu einen Mißbrauchsverdacht. So ist der oberste Hirte über die erworbenen Daten in Hamburg der Innensenator – dem auch bekanntermaßen die Polizei und das Landesamt für Verfassungsschutz untersteht.

M. Carini/M. Sonnleitner