: „Bad Blue Boys“ gegen Franjo Tudjman
■ Kroatiens Fans sind sauer auf ihren Präsidenten: Sie können sich wegen zu teurer Buspreise die Englandfahrt nicht leisten
Die Fans der beiden größten kroatischen Fußballklubs, Dynamo Zagreb und Hajduk Split, sind sauer. Kaum einer kann sich ein Busticket zur Fußball-EM in England leisten. Dabei steht für die meisten fest, wer daran schuld ist: Staatspräsident Franjo Tudjman und seine korrupte Regierungspartei, die Kroatische Demokratische Gemeinschaft (HDZ).
Die Wirtschaft des Nachkriegskroatiens ist am Boden, die Arbeitslosigkeit liegt bei knapp 20 Prozent – und das nur, weil die meisten Arbeitskräfte im Staatsapparat geparkt werden und die Importquote auf über 70 Prozent in die Höhe geschossen ist. Kaum ein Mensch in der kroatischen Hauptstadt Zagreb hat monatlich mehr als 300, 400 Mark zum Leben. Schon gar nicht die rund 3.000 „Bad Blue Boys“, wie sich die bereits vor dem Zusammenbruch Jugoslawiens aktiven Fans von Dynamo Zagreb nennen.
Seit Wochen hängen in den Schaufenstern der Busgesellschaften und Reisebüros Angebote für Touren nach England aus, wo die Kicker mit den rot-weißen Schachbrett-Trikots in der Gruppe C der EM spielen werden. Kostenpunkt: nicht unter 700 Mark. Ein Großteil der Fans wird aus diesem Grund die Reise wohl gar nicht erst antreten. Und das, obwohl das kroatische Nationalteam das erste Mal seit der Staatsgründung vor fünf Jahren an einer internationalen Fußballmeisterschaft teilnimmt.
Der Frust der Fans ist längst in Politik umgeschlagen: „Die Dynamo-Fans in Zagreb haben sich ebenso wie die von Hajduk Split zu einer oppositionellen Kraft gegen Tudjman entwickelt“, sagt Benjamin Perasović, Mitarbeiter der Zeitschrift Nanacko Trebina (Fantribüne) und selbst aktiver Hajduk-Split-Fan. Während die Hooligans des Klubs aus der Adriastadt zu Beginn des Krieges in Kroatien 1991 ganz im Sinne der nationalistischen HDZ noch die Autos serbischer Nachbarn in den Hafen warfen, stehen sie heute Seite an Seite mit den Oppositionsgruppen – unter anderem in der Antikriegskampagne Kroatiens.
Die Wut auf das autoritäre Regime Franjo Tudjmans eint. Während den meisten Fans in den vergangenen Monaten klar wurde, daß sie die Dribbelkünste des früheren Stürmers von Hajduk, Blas Slisković (Manchester United), vor dem heimischen Fernseher verfolgen müssen, werden seit Wochen immer mehr Korruptionsvorwürfe gegen die regierende Tudjman-Partei laut.
„Die HDZ-Seilschaften haben die Industrie, den früheren staatlichen Immobilienbesitz und natürlich auch die Macht über die Medien unter sich aufgeteilt“, faßt Hajduk-Split-Fan Benjamin Perasović zusammen. Dabei laufe am Ende alles auf den selbstherrlichen Staatspräsidenten Tudjman zu, dem Regenten einer Zehnprozentgesellschaft.
Die Gewinner dieser „kroatischen Gemeinschaft“ werden es sich unterdessen nicht nehmen lassen, den Nationalspielern nach England zu folgen. Frank Hofmann, Zagreb
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