: Ohne Tarifvertrag für Vulkan
Nach der Zustimmung der IG Metall zu Lohnkürzungen beim Vulkan wollen auch andere Werften Zugeständnisse erzwingen ■ Aus Bremen Joachim Fahrun
Für IG-Metall-Chef Klaus Zwickel gibt es keinen Zweifel: „Flächentarifverträge sind entscheidende Basis für die Zukunft“, beharrte er am Dienstag bei einem Fernsehstreitgespräch mit dem Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Olaf Henkel. Für die im Konkurs befindlichen Werften des einstigen Vulkan-Verbundes in Bremen und Bremerhaven gilt diese Aussage freilich nicht.
Der Schiffbau an der Unterweser hat kurzfristig nur eine Überlebenschance, wenn die IG Metall die Überzeugung ihres Vorsitzenden nicht so genau nimmt und dem Griff in die Lohntüten zustimmt. Um die Kosten drastisch zu senken, wird trotz großer Bauchschmerzen der Flächentarif aufgeweicht. „Ordnungspolitisch ist das für uns ganz schwierig“, gesteht Bremens IG-Metall-Chef Manfred Muster. Aber, sagt ein gewerkschaftsnaher Beobachter, man suche schließlich einen Kapitalisten, der neues Geld in die maroden Betriebe pumpt. Da müsse man Vorleistungen machen.
Dem „Änderungstarifvertrag“ hat eine eigens für den Vulkan gebildete Tarifkommission nach langen Verhandlungen jetzt zugestimmt und empfahl sie den Werftarbeitern. Der Vertrag liest sich wie eine „Horrorliste“ aus dem Unternehmerlager: kein Weihnachts- und kein Urlaubsgeld, Wegfall des bisher für die Plackerei auf den Docks gezahlten Erschwerniszuschlags und der Überstundenzuschläge.
Damit werden die Lohnkosten für diejenigen der einstmals 4.000 Beschäftigten der Bremer Vulkan- Werft und der Schichau-Seebeck- Werft in Bremerhaven, die auch nach dem Konkurs auf den Werften weiterarbeiten, um insgesamt 23 Prozent gedrückt. Vulkan-Konkursverwalter Jobst Wellensiek hatte diesen Lohnverzicht zur Bedingung gemacht, um wieder kostendeckend Neubauaufträge hereinholen zu können und den auf 30 Prozent kalkulierten Produktivitätsrückstand aufzuholen.
Ohne neue Schiffe geht zumindest beim Vulkan in Bremen-Vegesack in wenigen Tagen die Arbeit aus. Mehr als 1.000 Werftarbeiter sind ohnehin schon in eine Beschäftigungsgesellschaft gegangen, wo sie für ein Jahr mit Kurzarbeitergeld über Wasser gehalten und weiterqualifiziert werden. Bei Bedarf sollen sie an die Werften ausgeliehen werden.
Zusätzlich soll die Arbeitszeit flexibilisiert werden. Überstunden, die über die verkürzte Arbeitszeit von 30 Wochenstunden hinausgehen, sollen auf einem „Langzeit- Arbeitskonto“ gesammelt werden. Abgebummelt oder bezahlt wird erst, wenn die Werften irgendwann Überschüsse erwirtschaften. „Das ist eine unsichere Bank“, räumt Metaller Muster ein.
Die IG Metall werde den Tarifvertrag dennoch unterschreiben, wenn Konkursverwalter Wellensiek zumindest die Verträge für die zwei nächsten Containerschiffe unter Dach und Fach hat, die nicht mehr als 70 Millionen Mark pro Stück kosten dürfen. Außerdem müssen das Mißmanagement auf den Werften abgestellt und tragfähige Standortkonzepte vorgestellt werden. „Ohne diese Garantien sieht der Vertrag unsere Tinte nicht“, versichert Muster.
Die Gewerkschaft fürchtet nun, mit ihren Zugeständnissen beim Vulkan eine Bresche für die Begehrlichkeiten der anderen Arbeitgeber der Werftindustrie geöffnet zu haben. Denn die Lage ist auch anderorts an der Küste ähnlich wie an der Unterweser, da könne der Vulkan rasch „Bezugsbeispiel“ für die ganze Branche werden. Trotz aller Auftragsbücher verdient kaum eine deutsche Werft Geld. Als Hauptgründe nennen die Arbeitgeber neben der hoch bewerteten D-Mark die hohen Arbeitskosten. Die müßten überall um 15 bis 20 Prozent sinken, forderte bereits der Vorsitzende des Verbandes Schiffbau, Heinz Ache. „Die wollen absahnen mit der Not der Vulkan-Arbeiter und die Belegschaften gegeneinander ausspielen“, meinen Gewerkschafter. Darum will die IG Metall ihre Opfer beim Vulkan auf zwei Jahre befristen.
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