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Unterm Strich

Stimmt was nicht? Woher kommt der Gedanke in Ihrem Hinterkopf, demnächst könnte alles auffliegen? Die Nerven? Sehen Sie sich in aller Ruhe um, ob einer Ihrer Mitarbeiter was Angeklebtes am Kopf trägt – so im Mund- oder Haupthaarbereich. Männer mit Bart vielleicht. Oder komische Kleider. Es könnte nämlich Günter Wallraff sein, der, wie die dänische Zeitung Flensborg Avis meldet, eine neue Aktion planen soll. „Ich werde schon bald dort weitermachen, wo ich mein Projekt vor einiger Zeit krankheitsbedingt unterbrechen mußte“, soll der Mann, der bei „Bild“ Hans Esser war, respektive später Türken-Ali auf Schicht, am Mittwoch bei einem Vortrag über seine Arbeit vor etwa 300 Zuhörern im südjütländischen Brogaer bei Sonderborg verlautbart haben.

Typisch: Da gibt Maurice Bejart der Staatsoper Unter den Linden einen Korb, woraufhin diese erbittert beschließt, ihn einen guten Choreographen sein zu lassen und niemals gar nimmermehr einzuladen, und schon wird der agile, in Lausanne beheimatete Mann für sein Gastspiel in Hamburg (fünf Stunden Ballett nach Themen und Figuren aus Wagners „Ring“- Zyklus) stürmisch gefeiert. „Das Publikum in der Hamburger Staatsoper dankte für das Gastspiel mit anhaltendem Applaus...“ – ja, ja, jaaa, kenn' wa, immer feste druff uff de Berliner! Und die Herrschaften Agenturen mal wieder an vorderster Front! dpa, daß du da mitmachst...! Schande, das... (wir blenden langsam aus).

Dafür aber dann den Lindi rüberschicken! Sich dabei ins Fäustchen lachen, was, Hamburg!? „Arschgesichter und andere Gezeichnete“ hieß die Ausstellung mit Zeichnungen von Udo Lindenberg noch in seiner Heimatstadt, für das Publikum der „Spreemetropole“ (dpa) hat man sie originellerweise in „Lindi unter den Linden“ umbenannt. Das proArte Hotel teilte mit, die Bilder und Zeichnungen in teils „schrillsten Panikcolours“ werden einen

„Einblick in die zweite künstlerische Ader des Altrockers“ geben. Lindenberg wird bei der Eröffnung am heutigen Freitag im Palais am Festungsgraben anwesend sein und sein „mit Farben bespritztes Schlagzeug zu lautstarkem Einsatz bringen“.

Und hier die wöchentliche Kurt-Cobain-Meldung: Das Gewächshaus in Seattle, in dem der Held sich im April 1994 mit einer Schrotflinte letal in den Mund schoß, wird abgerissen. Das kündigte Courtney Love, die Witwe, in einem Interview mit dem Seattle Post Intelligencer an. Ein angrenzender Park sei zur Pilgerstätte geworden. Die Fans hinterließen dort derart viel Müll und auch Spritzen, daß sie mit ihrer dreijährigen Tochter nicht mehr hinkönne. Sie müsse ihr Anwesen durch einen Sicherheitsdienst vor den Fans schützen lassen, sagte Love weiter. Das koste sie jeden Monat 10.000 Dollar.

Jenny Holzer, die eine Laserinstallation am Völkerschlachtdenkmal (Titel: „KriegsZustand“) in Leipzig vorbereitet, will ihre künstlerische Arbeit auf die Innenstädte von Leipzig und auch Berlin ausdehnen. Zwischen Werbespots und Wetterinformationen werden in Leipzig am Hauptbahnhof und in Berlin am Kurfürstendamm zeitgleich Texte zu „KriegsZustand“ gezeigt, allerdings nur vom 14.–16. Juni, jeweils 22–1 Uhr.

David Toop, Theoriekoryphäe unter den britischen Musikkritikern, kommt – und zwar nicht etwa nach Berlin oder HH, sondern in den deep South, nach Konstanz. Der Asta-Subclub „Beat Culture“ konnte ihn gewinnen, am 13. 6. aus seinem neuen Buch „Ocean of Sound“ zu lesen. Zeit: 20 Uhr, Ort: Uni, Ebene „k7“ (klingt bissel wie Fleckenentferner). Mehr über das Programm von Beat Culture unter (07531) 882517.

Chemnitz, die Stadt, die irgendwie auch nach Fleckenentferner (oder schlimmeren Reagenzien) klingt – und außerdem die Sache mit Marx imagemäßig noch nicht so richtig los ist –, hat sich von Marketing-Experten einen neuen Patron verpassen lassen. And the winner is: Wolfgang Amadeus Mozart! Obwohl der nachweislich nie Chemnitzer Boden betrat, wirbt er mehr im Verborgenen schon einige Zeit für den Ort – seit 1991 existiert eine „Sächsische Mozart-Gesellschaft“, die sich „der ganzen Persönlichkeit Mozarts“ verpflichtet fühlt. Jetzt kommt's aber erst so richtig raus. Mit „Regenbogenkonzerten“ und diversen „unkonventionellen Ideen“ will man verkrustete Strukturen aufbrechen und die herkömmliche Hochkultur spektakulär ergänzen respektive konterkarieren. „Mozart und Osteuropa“ ist das diesjährige Motto, unter welchem es vom 15.–23. Juni zu Auftritten und mehr kommen wird. Inhaltlich ist dem Programm nichts Schwerpunktspezifisches zu entnehmen, dpa meldet allerdings, daß Musiker aus Osteuropa „den Ton angeben“ werden.

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