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„Ablenkende Reize“ auf der Avus

■ Dürfen Velos auch am autofreien Sonntag nicht auf die Berliner Autobahnen?

Wenn auf der Avus ein Autorennen stattfindet, muß der öffentliche Verkehr außen vor bleiben. Aber was geschieht mit der „Automobil-Verkehrs- und Uebungs- Straße“, wenn – immerhin von Umweltsenator Peter Strieder (SPD) ausgerufen – ein „autofreier Sonntag“ stattfindet?

Wenige Tage vor dem Termin am morgigen Sonntag hat sich die Frage zum Konfliktthema entwickelt. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (AFDC) hatte vor sechs Wochen die für den 9.Juni geplante Fahrrad-Sternfahrt beim Polizeipräsidium angemeldet. Am 31. Mai, knapp eine Woche vor dem Start also, erhielt er die Genehmigung für die Routen – soweit sie auf Stadtstraßen verlaufen. Die vom ADFC vorgesehenen Abschnitte auf der Avus und anderen Autobahnen erklärten die OrdnungshüterInnen sämtlich für tabu. Der Autoverkehr könne nicht für diesen Zweck mehrere Studen unterbrochen werden.

Während der ADFC gegen diese Beschränkung beim Verwaltungsgericht klagte, führte die politische Solidarität dann doch zu einem Teilerfolg. Die Avus darf nun doch benutzt werden, auch dank der Unterstützung durch 13 BezirksbürgermeisterInnen und mehrere Senatsmitglieder. Verschiedene andere Autobahnabschnitte bleiben aber voraussichtlich weiter tabu, etwa der Stadtring am Innsbrucker Platz.

Weder die Fahrrad-Sternfahrt noch der autofreie Sonntag sind indessen so ungewohnt neuartig, wie das Hickhack um die Autobahn vermuten ließe. Die Sternfahrt, die dieses Mal von vier brandenburgischen und vier Berliner Anfangspunkten starten soll, ist immerhin die zwanzigste in Berlin. Besonders respektabel war der Korso im letzten Jahr, als er während der Weltklima-Konferenz 100.000 RadlerInnen in Berlin teilnahmen. Auch damals führte eine „Zacke“ des Sterns, die Strecke über die Avus, ins Berliner Zentrum.

Die Dynamik der Fahrradkundgebungen ist in den Verwaltungsstuben aktenkundig: „Bekannt sind Klingelstürme, Winken, Pfeifen, der Gebrauch von Handlautsprechern sowie das Mitführen von Fahnen und an Stangen befestigten Tafeln.“ Daher glauben die PolizeistrategInnen, daß es nicht ausreicht, für die Fahrraddemo nur eine Seite der Autobahn zu sperren. RadlerInnen könnten durch „abgesprochene Aktionen oder Einzelinitiativen" gefährliche Verwirrung stiften, aber auch die „Kfz- Führer“ jenseits des Mittelstreifens, etwa durch „verkehrswidriges Hupen mit damit einhergehendem Schaffen weiterer ablenkender Reize“. Ob der politisch unterstützte Sieg für die sonntägliche Sternfahrt mehr wiegt als manche Sonntagsrede, kann sich Ende Juni zeigen. Dann läuft die Frist ab, in der der ADFC die Wegweiser für seine „Klimaroute“ abhängen soll.

Die Schilder für die Fahrradroute vom Alexanderplatz zum Messegelände hängen seit dem „Klimagipfel“ 1995 an den Straßen. Solange das 660 Kilometer lange Berliner „Velo-Routennetz“ nur auf dem Papier existiert, möchte der ADFC die provisorische Route jedoch beibehalten. Benno Koch, Pressesprecher des Clubs in Berlin, hofft unter anderem auf die noch dieses Jahr anstehende Änderung der Straßenverkehrsordnung. Mit der Novelle sollen Mindestanforderungen für Radwege festgeschrieben werden. Auch wird es dann eine Rechtsgrundlage geben für „Fahrradstraßen“, in denen Autos nur eingeschränkt und nachrangig fahren dürfen.

Wieviel von den Konzepten umgesetzt wird, hängt vom öffentlichen Druck ab. Für den morgige Sternfahrt, die Bestandteil einer bundesweiten Aktionswoche ist, rechnet der ADFC in Berlin mit 50.000 TeilnehmerInnen. An den verschienenen Strängen der einzelnen Routen liegen insgesamt 25 Treffpunkte. Der erste Pulk startet um 10 Uhr am Bahnhof in Bernau, der letzte Treffpunkt am Großen Stern wird um 13 Uhr 10 erreicht. Von dort bewegt sich der endgültig vereinigte Pulk zum Ziel, der Elsenbrücke am Treptower Park, wo das Senatsumweltfest stattfindet. Matthias Fink

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